Diorama "Gasthaus in Bargteheide im Jahre 1348" - FERTIG

Begonnen von Jensel1964, 28. April 2017, 23:38:51

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bughunter

Beim Anblick der weiß/roten Mauer fühle ich mich aus dem tiefen Süden in den Hohen Norden versetzt, ins Alte Land zum Beispiel :P
Das wird was! Herrlich, bei der Entwicklung dabei sein zu dürfen.

Viele Grüße,
Bughunter

Wikipedia sagt: "Ein Modell ist ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit."
Deshalb baue ich lieber verkleinerte Originale.

pucki

RESPEKT. :klatsch: :klatsch: Ein bisher wirklich tolles Teil.  Ich habe jedenfalls wieder viel gelernt wie man gewisse Sachen darstellt. Dafür meinen Dank.  :winken:

Zitat von: Jensel1964 in 18. Juni 2017, 21:53:38
2. Ein Wirtshaus hier im Norden hatte sicherlich eine zentrale Feuerstelle. Aber wie sah es mit einem Rauchabzug aus? Durch das Dach und die Fenster? Es wird ja wohl keinen Schornstein gegeben haben, oder? Ist dann im Dach eine Öffnung zu lassen?

Da irrst du dich.  Die ersten Schornsteine gab es schon zu Römerzeit.  Wieder entdeckt wurde er so um das 10-11 Jahrhundert.
Kannst du sogar bei WIKI nachlesen. 

Was die Bauart angeht. So würde ich zu einen alten Schwenkgrill tendieren.  Also unten eine Stelle mit offener Kohle darüber ein eiserner Grill der an einer Kette befestigt ist. Der Rauchabzug dann durch ein offenen Kamin. Dies hatte in der damaligen Zeit des Effekt das die Räume immer LEICHT verraucht waren. Man ging in den Keller (fungierte bis ins frühe 19. Jahrhundert als Kühlschrank) holte ein Stück Fleisch und schmiss es halt auf den Grill. Wobei sich die Frage stellt, ob du überhaupt eine Inneneinrichtung machen willst.

Echter Rauchabzug durch die Fenster ist Unsinn. Ich bin mir zu 1000% Sicher das es damals schon einen Menge Leute gab die an Rauchvergiftung gestorben sind. Deshalb wäre eine solche Konstruktion ohne Kamin/Offenen Rauchabzug völliger Unsinn.

Gruß

  Pucki




Ich bin PucKi, ein älterer Mann und überzeugter Single, der immer noch versucht ein perfektes Modell zu bauen.

Gilmore

Zitat von: pucki in 20. Juni 2017, 12:38:19
RESPEKT. :klatsch: :klatsch: Ein bisher wirklich tolles Teil.  Ich habe jedenfalls wieder viel gelernt wie man gewisse Sachen darstellt. Dafür meinen Dank.  :winken:

Zitat von: Jensel1964 in 18. Juni 2017, 21:53:38
2. Ein Wirtshaus hier im Norden hatte sicherlich eine zentrale Feuerstelle. Aber wie sah es mit einem Rauchabzug aus? Durch das Dach und die Fenster? Es wird ja wohl keinen Schornstein gegeben haben, oder? Ist dann im Dach eine Öffnung zu lassen?


Also unten eine Stelle mit offener Kohle darüber ein eiserner Grill der an einer Kette befestigt ist.

Gruß

  Pucki

Bezüglich Kohle mal eine Frage: Kannte man in der Region bereits Kohle? Es muß also irgendwo dort auch Kohlevorkommen (ebenerdig, Tagebau) gegeben haben. Oder meintest Du vielleicht Holzkohle?
Vielleicht gehe ich auch von falschen Voraussetzungen aus und Kohle wurde auch damals schon über weite Strecken transportiert (Ruhrgebiet, Schlesien...)
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

eydumpfbacke

Zu der Zeit wurde nach meiner Einschätzung hauptsächlich mit Holz oder Torf geheizt.
Es grüßt der Reinhart :santa:

Ich bau grundsätzlich nicht originalgetreu.
Wenn doch, ist das Zufall

pucki

#29
Jetzt hast du mich aber böse erwischt.  :pffft:

Ich hab über den Begriff Kohle eigentlich nicht wirklich nachgedacht.

Holzkohle wäre aber Historisch in meinen Augen mit Sicherheit kein Fehler. Immerhin gibt es den Beruf des Köhlers schon seit Ewigkeiten. Ist nur in der Neuzeit ausgestorben. Alternativ wären ein paar Holzscheite auch möglich. Wälder gab es ja damals viel mehr als heute.

Gruß

   Pucki
Ich bin PucKi, ein älterer Mann und überzeugter Single, der immer noch versucht ein perfektes Modell zu bauen.

Gilmore

...und dann war da noch der Schwenkgrill mit Kette. Es kann natürlich ein reisender Händler mal dort hin gebracht haben, aber ansonsten müßten die Leute dort das selber schmieden. Und dann zur nächsten Frage: würde ein Holz- oder Torffeuer genügend Hitze erreichen, um darin z. B. eine Kette zu schmieden? Mit Holzkohle könnte es evtl. gehen. 
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

pucki

 :D Ihr denkt mit den 20 Jahrhundert. Und der DIN-Norm ;)  X(

Hier in diesen Beitrag https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCche unter Schwarzküche ist ein gutes Beispiel.

Ich dachte da eher an ein Stück Metall mit 3 Löchern drin und einer Kette die man von Irgendwo aufgetrieben hat und nicht ein genormtes Gitter.  Damals wurde sehr viel improvisiert. Oder auch ein Kessel wie auf den Foto .

Was die Versorgung der Bürger mit fremden Gütern angeht, so ist war auch kein Problem. Durch die sogenannten "Fahrende Händler" die auf Märkten und in den kleineren Dörfern ihre Waren anboten. Sie leben davon Dinge, die in den Dörfern durch die sie zogen produziert wurden zu kaufen oder zu tauschen und in anderen Dörfern oder auf Märkten teuer zu verkaufen.

Viele dieser Händler reisten auch im Konvoi um gegen Überfälle sicher zu sein und auf festen Routen. Selbst "Bestellungen" waren so möglich. Allerdings nicht wie heute "mit 2 Std. Zustellung" sondern man wartete auch mal ein Jahr.

Gruß

   Pucki
Ich bin PucKi, ein älterer Mann und überzeugter Single, der immer noch versucht ein perfektes Modell zu bauen.

Gilmore

Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

f1-bauer

Hallo Jens,
ich bin hier natürlich auch (still) dabei. Tolles Thema, sowohl das Thema an sich mit einbeziehen der eigenen Heimat als auch Deine Herangehensweise.

Zum Thema Feuerstelle habe ich mal diesen kurzen Abriss hier gefunden http://www.planet-wissen.de/gesellschaft/wohnen/kuechen/pwiegeschichtedesherdes100.html. Ich denke mal, Du kannst hier schon von Holz für das Feuer ausgehen und durchaus auch von einem gemauerten Kamin.

Zum Thema Gebäude aus der Zeit hätte ich auch ein paar Gedanken. Du hast weiter vorne geschrieben, dass in der Gegend um 1050 oder so bewusst Menschen aus verschiedenen Gegenden angesidelt wurden. Da kamen bestimmt mit den Menschen auch die unterschiedlichsten Erfahrungen/Techniken/Stile/Bauweisen zusammen, die dann den örtlichen Gegebenheiten wie Untergrund, Wetter, örtlich vorhandene Materialien etc. angepasst wurden. In Laufe der Jahre wurde bestimmt das eine oder andere wieder verworfen, abgerissen und geändert oder ersetzt. Nicht unbedingt sofort, wenn die Erkenntnis gereift war sondern eher z.B. wegen äußerer Einflüsse wie z.B. notwendige Erweiterung aus Platzbedarf oder Feuer nach Blitzeinschlag. Den einen örtlichen Stil gab es zur Zeit der Gründung des Dorfes wohl noch nicht, eher einen Mix aus Bauweisen und -stilen.

Speziell zum Wirtshaus würde ich annehmen, dass nicht ein Wirt daherkam und sofort einen mächtigen Gasthaus-Neubau in Fachwerk hingestellt hat. Eher wohl erst mal ein Blockhaus mit Gastraum, Küche und ggf. Schlafplätzen in einem Raum. Später wurde dann erweitert, umgebaut, abgerissen und angebaut. Vielleicht wurde aus dem ursprünglichen Block(gast)haus der Stall und daneben, angrenzend oder mit Blockhaus intergriert ein Stein-/Fachwerkhaus gebaut.

Jedenfalls tolle Arbeit bis jetzt  :klatsch: Ich schaue gerne weiter zu.

Gruß
Jürgen  :winken:

Jensel1964

Hui, hier war heute ja ordentlich was los. Ich freue mich, dass dieses Thema für so viel Diskussionsstoff gesorgt hat.
Ich danke Euch allen vielmals. Wo fange ich an?
@Bughunter:Ich freue mich sehr, dass Dich allein die Wände des Hauses hier in den Norden versetzen. Das ist genau die Zielsetzung meines Dioramas.
@Pucki und Gilmore: Ich fasse Euch da mal zusammen.
Dass es schon sehr lange Schornsteine gab, wusste ich schon. Aber bei der Recherche zu meinem Wikingerdiorama habe ich erfahren, dass die Häuser hier im Norden eher diese Öffnungen im Giebel als Rauchabzug hatten. Wenn ich mir die Rekonstruktionen z.B. in Lütjenburg angucke, haben diese Häuser auch keine Schornsteine. Laut dem Plan, der mir zur Verfügung gestellt wurde, verfügt das Bauernhaus (das soll das zweite Haus auf dem Diorama werden) über eine zentrale, offene Feuerstelle, die mit Steinen eingefasst war. Endgültig von der Idee des Schornsteines angebracht hat mich folgende Wikipedia-Seite zum Thema "Niederdeutsche Hallenhäuser".

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hallenhaus

Wenn man runterscrollt, findet man im Punkt "Aufteilung/Küche" genau diese oben beschriebene Variante. Demzufolge hatte dieser im 14. Jahhundert verbreitete Haustyp auch eine zentrale Kochstelle und eine Öffnung im Giebel, durch die der Rauch abziehen konnte.
Ein Schornstein findet sich auch hier nicht.
Ich denke, dass ich das so übernehmen werde.
Die Gefahr einer Rauchgasvergiftung, wie sie z.T. auch heute vorkommt (im Winter gab es in Bayern traurige Todesfälle) ist bei diesem sehr offenen Bautyp m.E. zu vernachlässigen. Diese Häuser waren einfach nicht so dicht wie die heutigen Bauten. Der Rauch konnte ungehindert abziehen.
Das Thema "Kohle zum Kochen" können wir hier m.E. auch vergessen. Das wäre viel zu teuer gewesen. Damals hat man aus den Wäldern Bruchholz zum Heizen und Kochen geholt. Holz zu schlagen hätte da gerne mal den Kopf gekostet, wenn man sich vom Waldbesitzer erwischen lies.
Letztendlich wurde zentral auf einer Feuerstelle gekocht und gebraten. Das Rost schwebte dabei von Ketten gehalten über dem Feuer.

@F1-bauer: Danke für die Anregungen. Tatsächlich werden sich die beiden Häuser im Stil etwas unterscheiden. Beim Bauernhaus werde ich mehr Holz und Lehmwände verwenden. Das mit dem unterschiedlichen kulturellen Einfluss ist schon wichtig. Die Siedler kamen z.T. aus Niedersachsen, aus dem Harz und aus den Niederlanden. Die werden sicher ihre eigenen Baugewohnheiten mitgebracht haben.
Der Krug wird sicherlich eine Art von Vorgängerbau gehabt haben. Dass der aus Holz gebaut wurde, ist sehr wahrscheinlich. Aber ich denke mal, dass man das von mir dargestellte Steinhaus als Ersatz für den Vorgängerbau und nicht als Weiterentwicklung gebaut haben wird. Ich unterstelle mal, dass der Aufbau des Kruges, wie von mir dargestellt, dem Aufbau eines normalen Bauernhauses entsprochen haben wird. Warum das Rad neu erfinden, nur weil man statt einer Familie und Tieren Wirtsleute und Gäste unterbringen will? Wahrscheinlich hatten die damaligen Handwerker einen Grundplan (im Kopf), nach dem sie Häuser gebaut haben. Je nach Nutzung wird man von diesem Plan abgewichen haben. Gäste statt Tiere? Kein Problem, dann baut man die Pferche halt um.
Irgendwann wird dann jemand aus Hamburg oder Lübeck die Idee mitgebracht haben, dass man statt Flechtwerk und Lehm ja auch Ziegel (Backstein) nehmen kann. Das kosten vielleicht zu Anfang mehr, hält aber entsprechend länger. Und bei dem Reiseaufkommen zwischen diesen beiden Hansestädten wird sich das gelohnt haben. Tcha, und irgendwann ist der alte Krug dann abgebrannt oder war zu baufällig und wurde durch einen Backsteinbau ersetzt.
Und ja, vielleicht hatte der dann wirklich einen Schornstein. Meiner jetzt mal nicht.  :D

Das war mal wieder eine laaaaaaange Ausführung und ich hoffe, dass ich da nicht zu viel Blödsinn geschrieben/unterstellt habe.  :woist:

Ich bin heute übrigens an einem Reetdachhaus vorbeigekommen und habe Zweifel, ob ich dem mit meiner Wolllösung gerecht werde. Ich muss da mal ein wenig dran rumtesten.

Vielen Dank nochmal für die rege Beteiligung. Das macht mir echt Spaß.
Ich werde den Titel diesey Themas mal ändern bzw. aktualisieren.

Jens  :winken:

Hans

Ich nehme für strohdächer grasmatten für die eisenbahn.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Jensel1964

Hallo Hans.
Grasmatten? Ich kann mir das grad nicht so richtig gut vorstellen.  :woist:
Hast Du da ein  Foto? Was für Matten nimmst Du?
Ich muss das Rad ja nicht auch neu erfinden.  :D

Jens  :winken:

Hans

Ich verwende ganz normale Gradmatten von der Rolle. Im grösseren Maßstab halt welche mit "langem Gras" oder welche für Spur G oder I.
Man hat bei Strodächern immer die Vorstellung, man sähe den ganzen Halm. Ist aber nicht so. Der untere Halm wird ja vom oberen Halm überdeckt, dachziegelförmig. Das Reet wird befestigt und dann schräg geklopft, es entsteht eine gleichmäßige Fläche. Nur bei stufenweisen Befestigungen (Osteuropa) sieht man an jeder Stufe den ganzen Halm. Verrottungsicherer ist die verdeckte Version.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/ba/Reetdach_P7040064.JPG/800px-Reetdach_P7040064.JPG

Bild 1 unten zeigt ein altes Modell in 1/25 mit ganzen Halmen. Man erkennt zwar, was es sein soll, aber entspricht halt nicht dem Anblick eines "echten" Strohdaches.
Bild 2 zeigt  ein 1/30er Modell mit Langhalmmatte, du siehst es ist einfach aufgeklebt.
Bild 3 zeigt das Dach nach der Lackierung mit verschiedenen Grün-und Brauntönen mit der Airbrush. Pinseln ist mühselig, geht aber auch. Solltest du keine Airbrush haben, nimm Revell Spraydosen zur Grundierung und arbeite mit dem Pinsel nach
Bild 4 ist ein Modell in 1/60 mit einer normalen 08/15-Grasmatte
Leider habe ich keine Fotos der 1/90er Modelle mehr, die entstanden vor der Digitalfotografie...

H.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Scherfede1965

Möglicherweise könnte man auch Dichtungshanf aus dem Sanitärbereich verwenden,ist dann aber bestimmt ganz schön viel Arbeit.Gruß vom Dirk

Hans

Das erste Bild zeigt Dichtungshanf, zudem ist beim letzten Bild Hanf als Firstabdeckung verwendet worden
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Jensel1964

@Hans: Vielen Dank für die Fotos und die Entscheidungshilfe. Ich denke mal, dass die Wolle in den Fundus meiner Frau wandert, damit sie mir zum Winter ein molliges Mützchen häkelt. Deine Grasmattenvariante, und hier besonders Bild 4, haben mich restlos überzeugt. Ich werde am Montag mal einen Abstecher in den Modellbahnladen in HH-Rahlstedt machen und mal in der Grasmattenabteilung stöbern.
Das mit dem Dichtungshanf ist auch eine gute Idee, Dirk. Ich habe mir direkt mal zwei Gebinde á 200g bestellt. Bei 1,55€/Gebinde konnte ich nicht nein sagen.

Bleibt noch die Fensterfrage? Ich tendiere zu Tuch statt Glas.

Und dann überlege ich, wie ich das Steinfundament darstellen soll. Am Besten wären natürlich Natursteinchen. Aber das wird ne echte Sammelorgie. Mal gucken, was sich beim nächsten Strandbesuch an der Ostsee so finden lässt. Die Idee das Fundament mit FIMO und eingravierten Steinen darzustellen überzeugt mich noch nicht so ganz.
Ich grübel da nochmal drauf rum.

Bis dahin danke ich Euch von Herzen für Eure Anregungen. Das Projekt macht wirklich Spaß.  Nicht zuletzt danm Euch.
Jens

Hans

Bei Fenstern gibts falls kein Glas: Nix, aber mit Schiebeladen innen.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Uwe K.

Hat man nicht auch anstatt Glas die Blasen von Tieren verwendet....??

wefalck

#43
Bin da nicht so der Spezialist, aber es besteht da ein Unterschied in der Technik zwischen Reetdächern (Reet = Schilf) und Strohdächern (Stroh von Getreidepflanzen). Dabei gitb es sicherlich auch noch landschaftliche und zeitliche Unterschiede. Auch gerade die Firstabdeckung ist landschaftlich sehr unterschiedlich.

Wie Strohdächer hergestellt werden kann ich nicht sagen. Es ist aber dabei auch zu bedenken, daß im Mittelalter die Halme deutlich kürzer waren, da auf den Feldern mangels ausreichender Düngung weniger Biomasse erzeugt wurde. Heute versucht man ja die Halmlänge so zu optimieren, daß sich das Getreide gut mit dem Mähdrescher ernten läßt, daß aber andererseits nicht unnötig Biomasse erzeugt wird, für die man keine Verwendung hat.

Untenstehend ein Bild von der Neueindeckung mit Reet eines der Gebäude des Museums in Jork (Altes Land) im Jahr 2002. Das Reet wird in Bündeln angeliefert, diese dann auf die Pfetten ausgelegt und aufgeschnitten. Die Ende der Reethalme werden dann mit einem Spaten-ähnlichen Werkzeug in eine Ebene geklopft und jede Lage an die Pfetten genäht (heute nimmt man dazu verzinkten Eisendraht). Dann kommt die nächste Lage dran, bis zum First. Für die Gestaltung von Firsten, Traufen und Giebelenden gibt es unzählige Möglichkeiten und es werden oft andere Materialien, wie Holz, Grassoden, Dachziegel und heute auch Blech verwendet.



Wenn man also die Fläche eines Reetdaches betrachtet, sie man eigentlich gar keine Halme, sondern nur deren offene Enden. Englische Modellbauer verwenden daher für Reetdächer feinporigen Schwamm.
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

f1-bauer

#44
Servus Jens,
zum Thema Fenster hätte ich hier mal eine interessante Lektüre http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/glossar/alphabet/f/fenster.html, sowohl zum Thema Zweck und Anordnung als auch zum Thema, wie sie verschlossen wurden, wenn (noch) kein Glas, respektive Butzen, verwendet wurde.

Dann habe ich gesehen, dass Du wohl Türen sowohl an der Giebelseite als auch auf den Seiten vorgesehen hast. Anfänglich wurden die Ein-/Ausgänge nur an den Giebelseiten eingebaut, wie auf dem letzten Foto von Hans. Der Grund war: bei einem Dachbrand eines Reet- oder Strohdachs ist zuerst das Material verbrannt, mit dem die Bündel auf das Dach genäht waren (damals z.B. Weidenruten). Dadurch sind die brennenden Bündel vom Dach gerutscht. Lag nun der Ausgang auf der Seite, war der schnell blockiert und die Leute konnten nicht mehr aus dem Haus flüchten. Später (ich weiß nicht, ob schon im 14. Jhd.) haben sie dann einen "Zwerchgiebel" über einen seitlichen Eingang gesetzt, damit im Brandfall brenndes Reet/Stroh nicht vor die Tür fällt.

Siehe z.B. hier https://de.wikipedia.org/wiki/Geesthardenhaus und hier https://de.wikipedia.org/wiki/Uthlandfriesisches_Haus

Gruß
Jürgen  :winken:

PS @ wefalck: ich sehe kein Foto, weder per Handy noch per PC  ?(

wefalck

#45
Uups, hatte den Link vergessen - repariert.

Übrigens, über das vom Dach fallende, brennende Material als Grund für die Zwerchgiebel hatte ich noch nie nachgedacht. Guter Punkt.

Aus dieser Sicht, und nicht nur wegen des besseren Widerstandes gegen Verrottung, macht Draht als Bindematerial in neuerer Zeit Sinn.

Hat man nicht auch in manchen Regionen die Reet- bzw. Strohdächer mit einem Kalkanstrich versehen, um so einen gewissen Schutz gegen Funkenflug zu haben ?
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Hans

Wikingerzeitliche Häuser und Häuser bei uns auch hatten seitliche Türen, darüber laut Pfostenanordnung eine Art Giebel, da die Traufe recht weit herunterging. Ich hab leider kein besseres Modellbild, ist ein Haus aus dem 12. Jahrhundert aus einer mittelfränkischen Siedlung. War ne Sonderausstellung in den 90ern, 1/30.

Für die Deckung mit Stroh gibt es keinerlei Unterschiede zu Reet, die Techniken sind die gleichen. Die Bündel werden entweder bündelweise aufgehnäht oder auch ausgebreitet. Wenn man nicht näht, kommen Längsstangen zum Einsatz, die dann an die Pfetten genagelt (Holznägel) oder auch mit Stroh gebunden werden. Die Firstabdeckung kann mit Brettern, mit quergelegtem Stroh oder mit zerrauftem Stroh erfolgen. Eine typische Befestigung wären die gelenkig befestigten aufgelegten Stangen, die ganz unterschiedliche Längen haben können. Oder Längsstangen. Oder Längsbretter, eines steht am First einfach ein bisschen über.

Was die Länge des Strohs anbelangt: Es gibt da unterschiedliche Sorten (auch alte Sorten). Wir haben unser Haus damals mit langstieligem Roggen gedeckt, Samen aus der wissenschaftlichen "Samenbank". Wir mussten dann halt auf dreimal eindecken, da wir jedesmal nur a) wenig Samen und b) wenig Fläche hatten. Zum Nachbessern des Firstes nach ca 5 Jahren kam dann Reet zum Einsatz (Plattensee), die komplette Neueindeckung dann nach fast 20 Jahren in Reet.  Bild zeigt das Ende der ersten Saison. Haus=urnenfelderzeitlich, 1000 v.Chr.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

f1-bauer

@wefalck: ein Kalkanstrich hat m. E. keine feuerhemmde Wirkung. Ich denke eher, dass es mit der alkalischen Wirkung zu haben könnte, also Vorbeugung gegen Schimmel, Algen, Moos und Bakterien. Aber wegen der alkalischen Wirkung ist ein Kalkanstrich auch eher schädlich für das pflanzliche Material. Mmmh, Pest oder Cholera, ich denke eher nein.

Was die Bindung heutzutage angeht: bei der ganzen Googlerei habe ich irgendwo gelesen, dass die Lübecker Bauordnung dahingehend geändert wurde, dass Reetdächer neuerdings mit verschraubtem V2A-Draht auf Massivholzdach ausgeführt werden müssen. Dadurch brennt das Reet auf dem Dach und rutscht nicht herunter. In Gegenden mit Reetdachhäusern ist auch Feuerwerk verboten.

Achtung: OT
Aus eigener Berufserfahrung kann ich sagen: versicherungstechnisch sind Reetdach-Häuser der Albtraum schlechthin. Bis 1994 mussten die öffentlich-rechlichen Pflicht-, Monopol- oder Bannrechts-Gebäudefeuerversicherer (je Bundesland gab es davon einen) diese Risiken annehmen. Die jeweiligen Gebäude-Feuerversicherer hatten also zwangsläufig alle diese (schlechten) Risken mit allen guten Riskiken im Bestand und konnten mit moderatem Riskozuschlag einen Risikoausgleich mit den guten Risiken (harte Dachung) herstellen. So konnten die Versicherer diese Risken im Eigenbehalt decken, also ohne einen teuren Rückversicherer einschalten zu müssen. Dadurch war der Versicherungsschutz für Häuser mit Reetdach genauso bezahlbar wie für ein Einfamilienhäuschen mit Ziegeldach. Seit dem Wegfall der "Monopole" durch die Einführung des Binnenmarktes ist die Gebäudefeuerversicherung frei im Wettbewerb und viele Versicherer lehnen diese Risiken nun schlicht ab (egal, ob Neuabschluss oder Versichererwechsel) oder nehmen (auch im Bestand durch Änderungskündigung) bis zu 100 % Riskozuschlag im Vergleich zu einem Einfamileinhaus in massivbauweise mit harter Dachung.

Gruß
Jürgen  :winken:

wefalck

Bezüglich des Kalkanstrichs ware das auch nur eine vage Erinnerung ...

Mir ist gerade aber in Erinnerung gekommen, daß ich dieses nette Heft in meinem Bücherschrank habe:

https://www.abebooks.co.uk/9780852633373/Thatch-Thatching-Shire-album-Jacqueline-0852633378/plp



Der Inhalt betrifft vornehmlich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, gibt aber einen guten Einblick in die Technik, die im Süden Englands weit verbreitet war und ist.
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Hans

Es fanden mehrere kontrollierte (und nicht kontrollierte...) Brandversuche an vorgeschichtlichen Häusern statt. Das Problem herabrutschende Bündel wurde nirgends beschrieben. Dabei spielt ggf die "Brandrichtung" eine Rolle, also "Funkenflug" von aussen oder Entzündung von innen. Funkenflug einfacher Holzfeuer von aussen machen gar nix, selber oft "ausprobiert", so ein Funken hat einfach zu wenig Temperatur. Viel gefährlicher ist die Entzündung von innen, der Funken kühlt nicht ab, die Flugstrecke ist geringer. Aber auch hier ist nicht die Deckung so leicht entzündlich, sondern der fette Ruß innen! Ich denke, die rutschenden Deckungen sind ein absolut modernes Versicherungsdenk-Problem und hat nix mit der Bauweise "seitliche Türe" zu tun. Den Giebel braucht man wegen der tief herabgehenden Traufe, die wiederum dem Wandschutz dient.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger