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Lutherkirche Soltau

Begonnen von Gilmore, 04. Juni 2011, 23:52:26

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Gilmore

Lutherkirche Soltau

Diese evangelische Kirche ist 1911 unter der Leitung des Hannoveraner Architekten Wendebourg gebaut worden.
Sie ist ca. 58m hoch.
Der Standort ist in der Birkenstraße, Ecke Bundesstraße 71 (Lüneburger Straße) in Soltau, einer Kleinstadt zwischen Hamburg und Hannover.
In den frühen 60er Jahren wurde das bisher schiefergedeckte Turmdach mit Kupfer neu gedeckt. Inzwischen ziert das Dach fast flächendeckend eine schöne grüne Patina, nur die Ostseite ist teilweise noch dukelgrau.

Wie kommt ein Flugzeugfreak auf die Idee, eine Kirche als Modell zu bauen?
Nun, es ist nicht irgendeine Kirche, sondern die, die nur ein paar hundert Meter von meinem Elternhaus steht, in der ich getauft und auch konfirmiert worden bin und deren Anblick mir bis zum heutigen Tag vertraut ist. Dieser weithin sichtbare Backsteinturm mit dem schlichten grünen Kupferdach ist für mich immer noch ein Stück Heimat.



Eigentlich fing ich damit an, das Kirchengebäude aus möglichst vorteilhaften Perspektiven zu fotografieren, um zum 100. Jubiläum der Einweihung meinen kleinen Beitrag zu leisten. Beim Betrachten der Gebäudeteile regte sich aber doch der Modellbauerinstinkt, unwillkürlich machte ich mir Gedanken, wie diese oder jene Details im Modellbau umsetzbar wären. Insgesamt hat das Gemäuer keine allzu komplexen Formen, eigentlich, so dachte ich, müßte das doch zu machen sein, aber zunächst brauchte ich dazu die Baupläne. Ob die noch existierten? Eine E-Mail, nachts um halb eins an das Kirchenbüro gesandt, wurde nach wenigen Minuten beantwortet – von einem Pastor im (Un)ruhestand, der mich noch von früher kannte.
Wenige Tage später hatte ich einen USB-Stick mit den Bauplänen in der Hand.
Jetzt kanns ja losgehen!

Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Gilmore

#1
Am nächsten freien Tag ging's zum Copyshop meines Vertrauens, um die Pläne in der richtigen Größe zu bekommen. Ich weiß nicht mehr, warum, aber das Modell schwebte mir im Maßstab 1:87 vor. Danach ging ein Messen, Rechnen, Zeichnen, Lineale-Hin- und Herschieben und Bleistiftanspitzen los, um die Zeichnung auf ein Stück 2mm Plasticart zu übertragen. Nachschub an Plasticart wollte ich mir beim Architekturmodellbauer besorgen, aber mein Blick fiel dort auf weiße Platten, innen Hartschaum, außen beidseitig mit Papier kaschiert, 5mm dick. Dieses Material sollte es sein! Viel leichter zu schneiden als die harten Plastikplatten, die ich sogar noch besser in 3mm Stärke gebraucht hätte.
Nun mußte ich natürlich mit dem Messen und Zeichnen wieder von vorn anfangen, aber macht nichts.

Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Gilmore

#2





Mit den Wänden für den Turm und dem an der nördlichen Turmseite befindlichen Portal fing ich an.
Das Zurechtschneiden der Teile ging mit Lineal und scharfem Messer wunderbar – allerdings nur gerade Schnitte. Die Bögen jedoch ... so versuchte ich es hier mit der Laubsäge, und das ging besser als erwartet. Die Fensterausschnitte sind mit Plasticart-Streifen 3x1mm ausgekleidet, um Unsauberkeiten beim Ausschneiden derselben zu kaschieren, zudem dienen diese auch dazu, von innen Fenster einsetzen zu können.



Bei den Schalllluken hatte ich den Bogenschnitt noch nicht hinbekommen, so schnitt ich diese zunächst rechteckig aus, verwendete hier Streifen in 1x5mm für die Laibung und füllte die zuviel ausgeschnittenen Bereiche mit Resten und Spachtel auf – viel zu viel Aufwand!
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Russfinger

 :P :P :P

(aber gehört das nicht unter Bauberichte ;))

Egal, ICH WILL MEHR!

:winken:

Russie


No Kit left behind!

Gilmore

Um das Mauerwerk darzustellen, habe ich mir aus dem Modellbahnbereich bedruckte Pappen von Vollmer mit solchem Motiv besorgt, gutgläubig in der Größe H0, und Nachmessungen des realen Maßstabs ergaben: fölich valtsch, viel zu großer Maßstab! So mußte ich nochmal los, um diese in solche für Spur N (1:160) umzutauschen. Selbst hier ist der Maßstab immer noch ca. 1:65, aber um 13 Steine übereinander auf einen Meter zu bekommen, reicht ein geringer Verkleinerungsfaktor. Im Copyshop ließ ich mir diese Pappen im richtigen Maßstab in reichlicher Menge ausdrucken. Glück ist, daß der richtige Klinkerverbund und auch eine realistische Unregelmäßigkeit der Steinfarben wiedergegeben wurde.



Einen Teil einer Turmwand sowie das Portalteil beklebte ich probeweise mittels Ponal. Das ging gut und sah sauber aus. Am nächsten Tag jedoch – es sah immer noch gut aus, aber die Teile bogen sich. Mein Gesicht wurde immer länger. Hat etwa die Feuchtigkeit – Ponal ist ja auf Wasserbasis - sollte ich einen anderen Kleber benutzen? Aber welchen? Nun, zunächst strich ich mit Revell Aqua die Rückseiten der ,,tapezierten" Bereiche grau aus, um etwaige Lichtdurchlässigkeit zu unterbinden. Wunderbar – es zog sich wieder gerade. So ließ sich das Problem wohl bewältigen. Ich bekam aber den Gedanken  nicht aus dem Kopf, wie ich mit der letzten Turmwand verfahren soll, wenn der Turm zusammengesetzt wird.



Um auf andere Gedanken zu kommen, beschäftigte ich mich erst einmal mit den Schalllluken. An jeder sind 7 Lamellen. Wie bekomme ich einen gleichmäßigen Winkel aller Lamellen hin? Genaues Rechnen und Zeichnen allein hilft nicht, beim Zurechtschneiden mit Messer, Säge und Feile treten doch immer Unregelmäßigkeiten auf. Dann kam ich auf die Idee: offene Lamellen tun doch gar nicht not! Dreikantleisten! So nahm ich mir meine 2mm-Plastikart-Platte, feilte eine Seite schräg an und trennte davon einen Streifen ab, und schon hatte ich dreieckige Leisten gleichbleibender Breite und Höhe, die ich nur noch in Stücke schneiden mußte. Die schräge Fläche bemalte ich grün, die kurze gerade Seite in schwarz.



Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Universalniet

Hi Gilmore, 

da hast Du Dir ja etwas vorgenommen. Wer Dich kennt weiß, dass Du das in der Dir eigenen Perfektion durchziehen wirst.

Klasse!!!!  :winken:

Gruß,

Marc

Gilmore

Geduld, Geduld, Russie!

Gleich geht's weiter:

Die Verglasung der Fenster wiederum ist einfach: Flexibles Klarsichtmaterial habe ich im 1mm-Abstand diagonal überkreuz mit dem Messer eingeritzt. Danach mit stark verdünnter schwarzer Acrylfarbe eingestrichen und die Farbe sofort danach wieder weggewischt. In den eingeritzten Gräben bleibt die Farbe drin, die Filigranverglasung wird so recht gut wiedergegeben.

Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Gilmore

Nun habe ich drei der vier Turmwände zusammengesetzt. In die Kanten kamen noch dünne Holzleisten, die einst Silvesterraketen als Starthilfe dienten.
Die Mauerwerksdarstellung klebte ich nun Stück für Stück um die Mauerkanten herum. Ganz bewußt entschied ich mich, die Teile um die Kanten herum von Mitte zu Mitte der jeweiligen Wandteile zu kleben, denn Fenster und später anzufertigende verputzte Teile der Wände verdecken dann einen großen Teil der hierbei entstehenden Fugen. Immer bemalte ich anschließend mit Revell Aqua von innen die beklebten Teile, um ein Verziehen des Turms zu verhindern.
Langsam näherte ich mich immer mehr der Problematik, was tun, wenn die letzte Turmwand an der Reihe ist? Dann kann ich ja nicht mehr innen streichen!



Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Gilmore

Auf der letzten Modellbauausstellung der Siegener sprach ich darüber mit einem Kartonmodellbauer, und der hatte einen Tipp: dieser heißt ,,UHU Finke Flasche", aber die lösemittelhaltige muß es sein! Meine Befürchtung, daß nun stattdessen der Kunststoffschaum angegriffen würde, bewahrheitete sich nicht. Versuche an einem Abfallstück zeigten: Es gibt kein Verziehen. Ich schätze, das ist die Lösung! 



Aktuell sieht das Modell jetzt so aus:





Der Granitsockel ist durch Fotografieren eines Mauerstücks und passendem Ausdrucken entstanden.



Ähnlich ging ich bei der Uhr vor. Da sie aber fast 30m hoch sitzt, mußte ich sie aus großer Entfernung mit meiner Panasonic FZ30 mit max. Brennweite fotografieren. Das sieht dann so aus:







Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Thorsten_Wieking

Ich kann ja mit Kirchen übrhaupt nichts anfangen, aber wenn ein Pastor nachts um 0:30 Uhr eine E-Mail beantworten kann und in Folge dessen soetwas geniales entsteht :P..... da muß ich zuschauen.

Gruß
Thorsten
"Erst wenn das letzte Spielzeuggeschäft geschlossen ist, werdet Ihr feststellen, das man beim Onlineshopping keine freudestrahlend-glänzenden Kinderaugen sehen kann."

Gibbs Rule #9 " Never Go Anywhere Without A Knife "

nuggetier

Das ist ja toll - jemand der ein Architekturmodell baut, scratch!
Das hat man hier nicht oft.
(Ich sollte mal meine Architekturmodelle präsentieren.)
Fertig gebaute Modelle seit ich hier angemeldet bin: Porsche 356 B/C 1:24, ---  Umbau/Streckung ägyptische Figur "Sobek";
Angefangene Bauberichte:  "Rio Magdalena" 1:160, "Ghostbusters Cadillac", diverse "Citroen B14" 1:24, "Mississippi Queen" 1:271 http://www.modellboard.net/index.php?topic=43112.msg643463#msg643463, "Mississippi-Schauferaddampfer" 1:250, "Burgmodell" 1:400, "Odawara-Castle" 1:350, "Burg Eltz" Scratchbau 1:160, Umbau - aus '34er Ford wird ein Mercedes C

mumm

Respekt, so was könnte ich nicht.

Peter  :klatsch:

FlyingCircus

Hallo Jürgen,

der Turm hat sich ja inzwischen richtig entwickelt.

Hier der Kirchenbauer bei der Arbeit. :winken:

,,Ich weiß, dass Sie glauben, Sie wüssten, was ich Ihrer Ansicht nach gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob Ihnen klar ist, dass das, was Sie gehört haben, nicht das ist, was ich meinte." Alan Greenspan

Russfinger

Wenn schon, dann KirchenbauMEISTER

:winken:

Russie


No Kit left behind!

Erdinger

Und ohne Chips geht nix!  :D

Wirklich eine interessante und kreative Arbeit! Mal was ganz anderes!  :P

Thomas
(Unbeugsamer Verfolgter des selbsternannten "Retters" eines ,,rechtssicheren Internets" aus Passau)
Grüße!
Thomas 
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wefalck

Bestehen die Laibungen der spitzbogigen Fenster bzw. Schallöffnungen eigentlich nicht aus Formsteinen ? Jedenfalls ist das bei mittelalterlichen Backsteinbauten so. Zumindest waren die Bogen durch entsprechend gesetzte Steine eingefaßt.

Backsteingotik-Fan wefalck
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Gilmore

Ich weiß. Ganz ruhig - das kommt noch, genauso wie auch die hellen vertikalen Streifen auf dem Mauerwerk (verputzte Teile).



Aber wie, verrate ich noch nicht. Ich muß das, was mir vorschwebt, erstmal probieren und üben.
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Gilmore

Hier noch ein weiteres Bild (ein Fenster an der Ostseite):



Also, wie gesagt, das kommt noch. Erst einmal fange ich an mit den wesentlichen Teilen des Kirchenschiffs und mache mich dann an die Mauerwerk-Details.

Grüße von Gilmore
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Bongolo67

Toll dass Du das endlich hier einstellst! :P
Ich hab darüber ja schon beim vorletzten Stammtisch Bauklötze gestaunt.

Bin schon auf das Dach gespannt!

Gruß

Ulf

Gilmore

Zitat von: Bongolo67 in 05. Juni 2011, 23:16:58

Bin schon auf das Dach gespannt!

Gruß

Ulf

Ich auch! Ich habe noch keinen Schimmer, wie ich die genauen Abmessungen dafür ermitteln soll. Aber irgendwas wird mir schon einfallen.
Ich bin multitasking-fähig. Ich kann alle anfallenden Arbeiten gleichzeitig liegenlassen.

Alex

sehr interessant. Weiter so, Karton Scratchbau sieht man hier nicht alle Tage!

Alex
Hier ist mein Portfolio, und hier meine weiteren Berichte (<-- Upgedated am 20.9.2015)
Finisher des Phantom-, Viermot-, Matchbox- und Artillerie-Groupbuilds, sowie des Bierdeckels-, Panzer-, Oldtimer- und OOB-Contests!

Bernd B.

Zitat von: Gilmore in 05. Juni 2011, 23:19:41
Ich habe noch keinen Schimmer, wie ich die genauen Abmessungen dafür ermitteln soll.

Die einfachste Methode: Guesstimate! Nach den Plänen und Fotos in etwa vorskizzieren, dann einen einfachen Test mit Billigpappe machen (Cornflakes-Packung) und so lange schnitzen, bis es "richtig" aussieht. Dann hast Du ein Muster, das Du viermal kopierst und ... fertig.

Achtung: Wenn Du massstäblich genau arbeitest, wird Dir das Turmdach zu hoch vorkommen. Das liegt daran, dass man fast immer aus verkürzender Perspektive "hinaufsieht".

Puchi

Äußerst interessanter Baubericht! Das schau' ich mir an, zumal ich bei meiner Modellbauanlage möglicherweise auch in die Situation kommen könnte, Gebäude bauen zu müssen, die es nicht als Bausatz gibt.

Liebe Grüße,

Karl

Quadratschädel

Ach na guck mal einer an, das ist ja interessant!
Das gute Kirchlein steht so weit gar nicht von meiner Heimat weg und ist mir gut bekannt, was mich dann aber auch gleich zu der Frage bringt:
Was hat denn ein Flugzegbauer mit einer Kirche im Sinn?

Es grüßt Oliver

Bernd B.

#24
Ich habe mir nochmal das Bild angesehen ... die Berechnung des Turmdaches ist doch relativ einfach. Ich nehme an, Du hast einen Aufriss des Turmes samt Dach? Das Dach besteht aus acht identischen Flächen (jeweils vier gespiegelt), alle Dreiecke. Von diesen Dreiecken können zwei Linien direkt aus dem Plan gemessen werden - die GRÜNE Linie (siehe Foto) und die ROTE Linie (dabei aber die Linie an der Seite des Turmes messen, nicht in der Mitte der Draufsicht).

Die BLAUE Linie errechnen wir nach dem Satz des Pythagoras - a2 + b2 = c2

a = Diagonale des Turms geteilt durch 2
b = Entfernung der Linie zwischen den Giebelecken zur Turmspitze in Draufsicht (Winkel 90*)
c = BLAUE Linie (errechnet)

Um dann Dein Teil zu zeichnen, brauchst Du nur einen Zirkel - Du nimmst die BLAUE Linie als Basis, dann den auf die Länge der GRÜNEN Linie eingestellten Zirkel an einem Endpunkt ansetzen und einen Kreis(teil) ziehen. Danach dasselbe am anderen Endpunkt mit dem Zirkel eingestell auf die Länge der ROTEN Linie. Wo sich die zwei Kreise Schneiden, befindet sich die Spitze des zu zeichnenden Dreiecks ... und acht davon (oder vier Rhomben) ergeben Deine Dach ...

Ich hoffe, man kann das jetzt auch verstehen ...

Edit: Etwas vereinfacht ... Betriebsblind nennt man das wohl ...