GMC 2½t 'Jimmy' in Adenauerland; Studebaker US-6 in Ulbrichtland?

Begonnen von padebigoru, 08. Juni 2017, 11:46:56

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padebigoru

NDR 3 zeigte gestern Abend die 45-min-Doku ,'Als der Bulli in den Norden kam'. Was mir darin auffiel hat allerdings nichts mit Transporter & Co zu tun.

Es kam eine nur sekundenlange Sequenz vor, die offenbar den Bau des VW-Transporterwerks in Hannover dokumentiert. Bemerkenswert daran, da war kein NWDR-Nachrichtenteam unterwegs, das nach heutigem Maßstab unsäglich grobkörniges schwarzweißes 16-mm-Material für eine xbeliebige Niedersachsen-Nachrichtensendung irgendwann ca. 1954/55/56 liefern sollte. Die Szene muß wohl mit einer 35-mm-Filmkamera samt Spitzenklasse-Objektiv gedreht worden sein – ARRI oder einem ähnlichen Sahnestückchen. Das auch noch auf hochqualitativem Farbfilmmaterial, alles vom damaligen Feinsten, ergo Sauteuer. Vermutlich also im Auftrag des Volkswagenwerks.

Man sieht, wie gesagt nur ein paar Sekunden lang, Szenen vom Bau des Transporterwerks. Eine Einstellung zeigt die Frontansicht von 2 – vermutlich – Kipplastern. Der eine ein serienmäßiger Henschel (HS 100?). Der andere ein GMC 2½t 'Jimmy', aber keine jener 'Friß-Vogel-oder-stirb'-Anschaffungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Das ist ein geliebtes und sorgfältig gepflegtes Arbeitsgerät aus der Wirtschaftswunder-Republik mit schwarzem BN-Nummernschild*. Ganzstahl-Fahrerhaus, die Ami-Pritsche ersetzt durch eine deutlich breitere (Kipp?-)Pritsche, um einiges breiter als der Laster an den vorderen Kotflügeln. An jeder Seite des Fahrerhauses eine Art Ausleger, daran befestigt die nachgerüsteten Winker, sodaß sie trotz der breiten Pritsche auch von hinten zu sehen waren. Auf dem Dach ein umgeklapptes Anhänger-Dreieck. Die Scheinwerfer tiefer gesetzt, anscheinend an möglicherweise ausgetauschten runden Kotflügeln befestigt. Ein 'umgeHENSCHELter' Liebling seines Fahrers; am Kühlergrill gleich 3 Schriftzüge: 'GMC', 'Henschel' und 'Diesel'.
Das Ganze nicht etwa in Ami-Oliv, sondern in einer Wirtschaftswunderland-optimistischen Blaßgrün-Ganzlackierung, mit Ausnahme der schwarz abgesetzten Kotflügel.

Meine Frage, nicht nur an die nördlich situierten Liebhaber alter Laster: kennt jemand weitere Quellen für solche Bilder aufwendig umgebauter und –genutzter US-Army-GMCs u/o -Chevies (egal ob US- oder Kanada-Produktion), Buch oder Internet? Egal, ob nun von der Baustelle des Transporterwerks oder anderweitig. Vielleicht auch noch in den 1960ern unterwegs, oder gar den 70ern?

*) Nein, nix mit dem Bundesdorf. B und N standen übereinander = Britische Besatzungszone, Niedersaxn.

Fumator

Versuch mal diese Seite, die viele Nachkriegsumbauten zeigt.

Gruß Axel

http://www.gmccckw.nl/

tsurugi

#2
Inteeessantes Thema und super link !

padebigoru

#3
Wer sich die Sendung ansehen mag:
Wiederholung NDR 3,
Sonnabend, 14:30 Uhr.
Die Szene kommt ungefähr bei Minute 19.

@ Fumator:
Reichlich schöne und interessante Bilder und Laster. In NL fuhren damals wirklich 'ne Menge davon herum, teilweise abenteurlich bis exotisch umgebaut. In B & F wohl auch nicht wenige, bei den Franzosen in größeren Mengen im Staatsdienst, aber auch bei bei privaten Bauunternehmen.
Nur, in D waren's zwar nicht annähernd so viele, aber gibt es keine weiteren Bilder von Exemplaren aus dem westlichen deutschen Halbstaat? Vielleicht auch ex-Russen-Studebakers im Arbeiter-und-Mauern-Staat*, nun ohne Katjuscha-Salvenwerfer? Oder hatte Väterchen Josef die nach dem Ende von Lend/Lease alle an Onkel Sam zurückgeschickt?

*) Natürlich waren zu der Zeit die Maurer in der Hauptstadt/Stalinallee zugange, Spitzbart hatte sie da noch nicht zur Staatsgrenze umgeleitet.

Eisbaer

#4
Hallo Padebigoru,

ich habe den "Hessia" so ungefähr Anfang der 90´iger mal in 1:87 aus Roco Teilen und Scratch als  Langholztranporter gebaut. (Inspiration war ein Foto in der hiesigen IHK-Zeitung . Leider habe ich die gesammelten Infos und Fotos von damals nicht mehr.)
(Habe damals zig LKW´s in 1:87 umgebaut)

Daher hier nur ein paar Infos, die ich damals hatte und die jetzt erreichbar sind:

Um den Wiederaufbau zu ermöglichen und eine zivile Transportsicherung des Warenverkehres aufrechtzuhalten, erlaubten es die Amerikaner den (Ex-Betrieben der Henschel-Gruppe für LKW-Bau) in Hessen eine eigenständige Firma mit dem Namen HESSIA zu gründen. (Hessische Industrie und Handelsgesellschaft = kurz HESSIA)
Dahinter stand natürlich die Fa. Henschel (= wie bei den Südwerken, Krupp hinter der Firma stand).

HESSIA wurde es erlaubt, einen Diesel-Motor mit 75 PS zu entwickeln und zu produzieren.
Daraufhin  "rüstete (HESSIA) hauptsächlich amerikanische Armeefahrzeuge auf Henschel-Motoren um. Diese Fahrzeuge wurden deutschen Baufirmen zum Wiederaufbau übergeben."

(Siehe: http://regiowiki.hna.de/Henschel)

Ab 1948 war es möglich den alten Firmennamen "Henschel und Sohn" wieder zu benutzen. Es sollen bis zu 3.000 GMC von Henschel umgebaut worden sein.

(Siehe http://www.verlagrabe.de/artikel/pdf/Hik_01_5_Deutsche_Lkw.pdf
Hier sind auch noch zwei Fotos im Text von den Fahrzeugen zu sehen)

So ist ein wesentliches Merkmal dieser Fahrzeuge der Schriftzug:

GMC - Henschel - Diesel 

auf dem Kühlergrill.

Auffällig ist ebenso, dass unter den Kotflüglen teilweise Bleche eingefügt wurden (manchmal auch an der Seite) und im vorderen Bereich unter den Kotflügeln eine Art von "Stoßstange" eingebaut wurde, in der dann die Scheinwerfer eingefügt wurden.
Dadurch erhält der LKW m.M. nach ein deutlich zivilieres Erscheinungsbild und wirkt nicht mehr so "hochbeinig".

Unter den Suchmaschienen sind noch einige Foto-Treffer zu finden.

Werbeplakat für diese LKW´s:

http://regiowiki.hna.de/Datei:Henschelgmc4.jpg)

Aus der Doku habe ich mal zwei bearbeitete Screenshots erstellt, damit - wenn die Mediathek zu Ende ist - die Fahrzeuge noch für weitere Interessierte sichtbar sind.

Bearbeiteter Screenshot aus der Doku (Min 18:21):







Quelle:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/unsere_geschichte/Als-der-Bulli-in-Norden-kam,sendung654516.html


Ein interessantes Thema:
Weiterverwendung von Ex-Army-Gerät nach 1945.

Was mich damals interessiert hat:

Sind außer dem "Jimmy" noch weitere Ex-Army-Fahrzeuge von HESSIA umgerüstet worden?

Viele Grüße.
Eisbaer

:winken:


padebigoru

#5
Zitat von: Eisbaer in 11. Juni 2017, 06:44:30
Sind außer dem "Jimmy" noch weitere Ex-Army-Fahrzeuge von HESSIA umgerüstet worden?

Hallo Eisbaer,

Dazu weiß ich leider überhaupt nichts.
Ich habe nur Laufe der vergangen Jahrzehnte nach und nach mitbekommen, das in der Zeit vor Gründung der BRD Krupp -> Südwerke und Henschel -> Hessia sehr früh wieder aktiv waren. Südwerke z.B. mit dem Bau von Feuerwehren für die US Forces und Hessia mit der Umdieselung von 'Jimmy'-Benzinsäufern für zivile deutsche Bau- und andere Firmen. Außerdem scheint Ford ebenfalls Feuerwehrfahrzeuge fürs Besatzungsmilitär aufgebaut zu haben, die den Südwerke-Feuerwehren garnicht mal so unähnlich gewesen sein sollen. Die Spezialisten fürs Thema sind sich - scheints - uneinig, ob Ford nur RAF und British Army oder auch US Army und USAAF/USAF bedient hat und vielleicht auch noch ein paar Löschfahrzeuge für die Forces Francaises dabei abgefallen sind.
Ob Hessia oder wer-auch-immer weitere Militärlaster serienweise 'zivilisiert' haben - ich habe keinen blassen Schimmer. Als auf der Hand liegende Kandidaten fallen mir da die Chevies/GMCs aus der überwiegend kanadischen Produktion ein; jedenfalls in den Niederlanden ist davon ja auch eine Anzahl 'zivilisiert' worden. Jeeps sind dann später in Form der Nachbauten aus der Hotchkiss-Lizenzfabrikation an zivile Betreiber gelangt, wohl über die französischen Grenzen hinaus.
Ein Abfallprodukt der Sendung war die Überlegung, ob denn wohl in SBZ/DDR auch ex-Rote-Armee-Studebakers für ein zweites Leben an zivile Nutzer weitergereicht worden sein könnten. Sei's ohne oder mit Umbauten an den Fahrzeugen; Spekulation: wenn ja, dann wohl eher mit, weil die von der Sowjetarmee in großer Zahl mit Katjuscha-Startern bestückt worden waren. Nachfolgend zwecks Aufbau der "Ersten sozialistischen Republik auf deutschen Boden" zweitgenutzt. Dieser Gedanke war bisher noch nie über mich hergefallen.

Der Laster vom Plakat in dem Regiowiki-Link unterscheidet sich von dem in NDR-Film, denn er hat nicht mehr das Original-Fahrerhaus. Um mal zu spekulieren: das hat man wohl das GMC-Cabrio-Fahrerhaus durch eine Henschel-Kabine ersetzt, um einen unserem Klima mehr angemessenen Wetterschutz zu erzielen.

padebigoru

#6
Wegen eines neuen Fundes in der Bucht habe ich den Titel des Threats erweitert und nehme ihn nochmal auf.

Hobby Guensel/Leipzig bietet ein RK-Modell 'Crossley Bus-Auflieger PT42 mit Stutebaker Sattelzugmaschine' an (den Schreibfehler habe ich per Kopieren und Einfügen übernommen). Ich habe den Googlehupf angeworfen, aber der brachte mich nicht weiter. Er lieferte als auf die Suche bezogen brauchbares nur Guensels eBay-Seite und Wikipedias magere Info zum US-6.

Das Angebot von Guensel verstehe ich so, daß in der DDR oder sogar noch vor deren Gründung in Leipzig, oder Sachsen, oder der SBZ Sattelzug-Eindeckerautobusse mit Studebaker-Zugmaschine im Linienbetrieb eingesetzt wurden. Guensel verweist im Text zum Angebot u.a. auf IFA; wurden eventuell auch diese Laster bei IFA umgedieselt? Womit sich, falls zutreffend, meine weiter oben im Threat gestellte Frage und Vermutung bestätigen würde. Kennt wirklich niemand Internet-Quellen oder Bücher die über den Einsatz der Studebaker Lend-Lease Laster bzw. deren russischen Lizenzbauten etwas aussagen? 

FREDO

Nach meinen Erkenntnissen würde ich das verneinen. Im Osten sind relativ frühzeitig wieder "eigene" Entwicklungen aus Audi/Horch/Vomag-Zeiten wieder aufgelegt worden. Es sei da an die Produktionen aus Werdau erinnert: G5, H3A, H6 und sowie die Phänomen und Framo.
Die "Russen" waren zu Kriegsende ohnehin total untermotorisiert, die Älteren erinnern sich an den Einzug ab Juli 45 mit Unmengen Panjewagen. US6 waren nur in den Gardeeinheiten, und meist als Werfer bis zur Umrüstung auf die ersten SIL.
Auch die ostdeutschen "Streitkräfte" KVP  hatten da keinen Zugang, ihre Transportmittel waren die oben erwähnten. Eine Zuführung aus SU fand da nicht statt. Das änderte sich dann erst mit der Zuführung der SIL und GAZ-LKW, als diese ausreichender zur Verfügung standen.

Ich habe jedenfalls in meiner Kindheit keine derartig umgerüsteten US in zivilen Diensten gesehen; es gab auch (im Gegensatz zum alliierten Aussonderungsprogramm) keine Überproduktion, die man hätte abgeben können. Dazu war das Kernland UdSSR zu weit wirschaftlich geschädigt
06120-4  Beste Grüsse ;)

padebigoru

#8
Bitte löschen!

padebigoru

#9
Zitat von: FREDO in 24. Juli 2017, 21:16:30
Eine Zuführung aus SU fand da nicht statt.

Das mal vorausgesetzt: dies schließt doch nicht aus, daß nach deren Ausmusterung bei den sowjetischen Streitkräften auf ostdeutschem Gebiet Studebaker-Fahrgestelle an SBZ- bzw. DDR-Behörden zur weiteren Verwendung abgegeben worden sein könnten. Okay, die LKW-Produktion ist im sowjetisch besetzten Deutschland früher wieder in Gang gekommen als in der Bizone bzw. Trizonesien. Ich kann mir nur nicht recht vorstellen, daß diese Produktion unter den Bedingungen von Kriegszerstörung und sowjetisch oktroyierten Demontageaktionen den BEDARF auch nur annähernd gedeckt haben könnte. Warum sollten die ostdeutschen LKW-Werke nicht, wenn möglich, auf noch brauchbare ex-Rote-Armee-Fahrgestelle zurückgegriffen und die per Umdieselung für die Wirtschaft von SBZ/DDR nutzbar gemacht haben? Ob man eventuell sogar die originalen Benzinsäufer der Roten Armee unverändert für den Wiederaufbau genutzt haben könnte, mag ich mir angesichts des damaligen allgegenwärtigen Mangels - in beiden Deutschlands - garnicht vorstellen.

Was die Studebakers bei den sowjetischen Streitkräften angeht:
Verschiedene Internet- und auch andere Quellen behaupten, daß nur ein kleiner Teil (der in der UdSSR selbst produzierten) Studebakers für Katjuscha-Werfer verwendet worden sei. Das Gros aller bei der Roten Armee vorhandenen Studebakers sei mit anderen Aufbauten vielfältig eingesetzt worden. Also doch nicht nur bei irgendwelchen Garde-Verbänden?

FREDO

Es gab einfach keine derartige Ausmusterung zugunsten der ostdeutschen Wirtschaft. da wurde gefahren bis zum Tod. Das war der springende Punkt. Es gab wirtschftlich überhaupt keine Verbindungen der Besatzungsstreitkräfte zu irgendwelchen ostdeutschen Einrichtungen oder Betrieben. Das war alles von Karlshorst gemanaged; man führte für die Truppen alles ein bzw. aus. Selbst der Schrott wurde in den Militärbereichen selbst zerlegt und sogar teilweise ins große Land zurückgeführt, denn dort brauchte man jedes Gramm.
Eine derartige Abschottung ist heute nicht vorstellbar, war aber die Realität. Alles, was nicht politisch von ganz oben nach ganz unten durchgestellt war, funktionierte nicht. Schon gar nicht irgendwelche Bereitstellungen oder Schenkungen oder sonst irgendwie geartete Materialbewegungen. Sowjetische Streitkräfte befanden sich nach wie vor in einem feindlichen Land, auch wenn das politisch nicht so zum Ausdruck kam. Die Abschottung war allgegenwärtig: nur offizielle Verbindungen zu Parteiinstitutionen ab Stabsebene, drunter ging gar nix; Ausgang hatten die muschkoten sowieso nicht, höchstens dann später mal in Gruppe unter Offiziersleitung zur Arbeitsleistung oder Kultura. Nix deutsch-sowjetische Freundschaft, oder nur in dieser Einbahnform. 
06120-4  Beste Grüsse ;)

padebigoru

Okay, das liest sich überzeugend. Auch habe ich nicht die Absicht, Dir um jeden Preis widersprechen zu wollen.

Andererseits ist da dieser Bus von RK Modell/Guensel. Würden wir hier von irgeneinem xbeliebigen Spielzeug reden, hielte ich es für vorstellbar, daß da jemandes Phantasie mit ihm durchgegangen ist. Aber das ist ein mindestens prinzipiell nicht unglaubhaftes Modell. Hat denn niemand konkrete Infos dazu?

f1-bauer


padebigoru

#13
:klatsch:
Na das ist doch endlich mal was Konkretes! Also wahrscheinlich keine Linienbusse mit Studebaker-Zugfahrzeug, sondern Kirchen u/o Gemeindesääle mit Rädern dran. Wie haben die Leute es damals bewerkstelligt, daß beim Fahren die Glocke(n) nicht permanent bimmelte(n)?
Auf diese Erklärung für solche Sattelzüge muß man erst einmal kommen - Danke Dir!
:winken:
Somit klärt sich dann wohl auch, woher die Studenbakers stammen. Nicht aus Lend-Lease-Beständen, sondern aus US-Army-Surplus.