Jungsteinzeitliches Haus in 1/20

Begonnen von Hans, 06. März 2004, 20:30:07

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Hans

Herrschaften,
hier ein Modell meines Bruders Thomas. Ich selber habe dazu nur den einen oder anderen Diskussionsbeitrag bei der Entwicklung sowie die Grundplatte beigetragen.

Es zeigt ein jungsteinzeitliches Haus im Maßstab 1/20.
Das Modell orientiert sich strikt am Befund von Pestenacker / Bayern. Das Original wurde 3545 vor Chr errichtet. Das genaue Baudatum konnte über die Dentrochronologie ermittelt werden. Es ist der einzige Befund eines jungsteinzeitlichen Hauses, der auch sehr gute Rückschlüsse auf die Inneneinteilung und -einrichtung zuläßt.

Das hauptsächliche Material ist Balsaholz, das es in verschiedenen Stärken und Profilen im Modellbaubedarf ( Architekturmodellbau!) gibt. Das 'rindengedeckte' Dach ist Papier aus Naturmaterial, gibt's im Bastel- und Verpackungsbedarf.

Die Figuren sind Elastolinfiguren, unbemalt erstanden und umgebaut mit Velourpapier.

Die komplette Bemalung entstand durchgängig mit Ölfarben. Boden und Vegetation ist diversen Streumaterial von Busch, Heki und Woodlands. Aus Gründen der Dauerhaftigkeit wird hier auf Naturmaterial verzichtet.

Das Modell ist im Naturhistorischen Museum in Nürnberg zu sehen, wo wir beide in der Abteilung Vorgeschichte uns mit Rekonstruktionen und Modellbau beschäftigen.



















Grüße,
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Helge

wooooow :respekt: :klatsch: mehr fällt mir da nicht ein
eine wirklich tolle arbeit von deinem bruder hut ab .......... naja ein grund mehr mal wieder nach nürnberg zu fahren

gruß

Helge
Wenn Du denkst es geht nicht mehr, dann .... Dann gib einfach auf!

Lawman

Sieht wirklich genial aus :P Ich bewundere diese modellbauerischen Meisterwerke in Museen auch immer wieder gerne. Man sieht aus diesen Werken auch die Freude, die Profi-Modellbauer bei der Ausübung ihres Berufes wohl haben. Schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.

Reto

Hans

Nix Beruf. Modellbauer wie Du und ich. Das ganze Museum wird komplett ehrenamtlich geführt.

H.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Talisker

Einfach saumäßig stark :respekt:
Dank Museum braucht man sich auch hinterher nicht den Kopf darüber zerbrechen wo man das Kunstwerk staubgeschützt hinstellt.

Hans, zeig uns doch bitte mehr von den Trauner'schen Meisterwerken!

Servus
Talisker

mm

Tolle Arbeit die Thomas da "abgeliefert" hat. :P
Auch wenn man ein paar eurer alten Sachen kennt.

Ihr seid die Experten also ned schmunzeln, wenn jetzt komische Fragen kommen.;)
Die Farben im Haus (Wandmalereien) und auch bei der Kleidung finde ich sehr kräftig. Was ist darüber bekannt? Farbbeschaffung in der Zeit?
Inwiefern ist etwas über die Kleidung der Bewohner bekannt. Lassen die Funde auch dort Rückschlüsse zu? Inweit habt ihr euch die "künstlerische" Freiheit rausnehmen können?



 

Batman

wow :P

wenn man bedenkt das man 3500 vor Christi schon solche Hütten bauen konnte komme ich mir heute fast irgendwie rückständig vor... 5000 Jahre, und nur wenig Unterschied....


Hans

Ich werde meinem Bruder die lobenden Worte weitergeben. Hierfür erstmal vielen Dank!

@manmouse: Die Farben und die Bekleidung sind eine Mischung aus Funden und begründeter Annahme. Die Wandbemalung zeigt ein Motiv, dass man von der Keramik her kennt. Ganze Wände hat man nicht gefunden, nur Teile, oder wie hier nur die unterste Reihe. Die Wandbemalung hätte im Original bestanden aus Kalk oder Kreide, das dunkelbraunrote ist Ocker gebrannt bzw. eine andere gebrannte Erde, das Schwarz Holzkohlenasche.

Bei der Bekleidung handelt es sich um Leinen, gewebt. Farbton kann von dunkelgrüngrau bis fast weiss reichen. Leinen ist schlecht zu färben, gäbe etwas blasse Farbtöne. Anders Wolle. Die Muster sind in Brochiertechnik in das Leinen hineingewebt. Hierzu gibt es Funde aus Uferrandsiedlungen, wo die feuchte Umgebung gute Funderhaltungszustände ergibt. Der konkrete Fund, ein Stoffstück ähnlich der Decke, stammt aus der Schweiz. Blau wurde mit Färberwaid erzielt, ein Farbstoff der mit dem Indigo identisch ist. Unsere Jeans sind mit Indigo ( bzw. dessen künstlichen aber identischen Ersatzfärbemittel) gefärbt. Ergibt bei Wolle kräftige Farbtöne. Rot geht insbesondere mit Krapp, ergibt bräunliche, aber auch ins violette sowie richtig kräftig rote Töne.

Künstlerische Freiheit sind die Bekleidungsschnitte, die sich aber an den technischen Möglichkeiten orientieren: Der Gewichtswebstuhl liefert die Tuchbahn, dann anschließend keinen bzw. nur geringsten Zuschnitt des Tuchs, keine echte 'Schneider'-arbeit.

Die Verwendung von kräftigen Farben ist Absicht, um von dem Bild einer grau-braunen-unbunten Vorgeschichte weg zu kommen.

Grüße,
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

mm

Hallo Hans,

wow, vielen Dank für die schnellen und ausführlichen! Erläuterungen. :P

Ein sehr interessantes Thema. Hab mich erstmal quer durch die weiten des www's gegoggelt, nachdem ich deinen Text hier gelesen habe. Zwecks Farben, und dem Thema brochieren ( konnte mit der Technik nämlich erstmal nichts anfangen ;) )
Was ist denn du zu den zeitlichen Anfängen der Webtechniken bekannt? Alles was ich da fand war Mittelalterliche Weberei. Die Grundtechniken werden sich bestimmt kaum verändert haben.

Die Verwendung der kräftigen Farbgebung, bewirkt in jedem Fall den gewünschten Kontrast, zu den Vorstellungen die die Leute heutzutage davon haben.
Es liegt wohl in der Natur des Menschen, vergangene Zeiten reichlich realitätsfremd zu beurteilen.

Eine Frage noch am Rande, wieviel Zeit hat das Projekt in Anspruch genommen?

Hans

@manmouse,
so richtig bekannt ist es nicht, wann es mit der Weberei losging. Es gibt FLECHTwerke bereits in der Altsteinzeit und der Mittelsteinzeit. Der erste echte Beleg einer Weberei ist wohl jungsteinzeitlich, also bei uns hier so um 4500 v.Chr. Im Süden und Osten wirds noch älter. Der Beleg sind nicht etwa gewebte Stoffe, sondern Webgewichte vom Webstuhl  und Spinnwirteln ( diskusförmige Scheiben, sind die Gewichte für die Handspindel).

Bereits in vorgeschichtlicher Zeit hat sich die Weberei voll entwickelt, es gibt sehr komplizierte Gewebe ( nicht nur Leinwandbindung, sondern auch komplizierte Bindungen...) und vor allen Dingen auch sehr aufwendige Webereien. Verwebt wurde praktisch alles, was auch nur irgendwie verwebar war. Hanf, Leinen, Wolle, sonstige Tierhaare. Es gibt Gewebe mit Dachshaar. Komplizierte Muster, alle Farben. Dazu noch Brettchenweberei, eine Art Bandweberei ohne Webstuhl, die Fäden wurden auf Brettchen aufgespannt. Irre kompliziert und im Ergebnis schön anzusehen.

Im Mittelalter hat sich da gar nix entwickelt, alles vorgeschichtlich. Was hinzukam sind kompliziertere Webstühle ( Trittwebstuhl, horizontale Webstühle). Wobei die Römer schon Webstühle gehabt haben müssen, die effektiver und wirtschaftlicher als die Gewichtswebstühle waren.

Thema Zeit: Geschätzt mal so um die 100 Stunden, alles in allem. Inkl. Recherche und Konstruktion sowie Planung.

Grüße
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

mm

Weben war wohl Kulturübergreifend der Renner. Was man da alles findet .... 8o
Simpel aber effektiv, der Gewichtswebstuhl.

Womit wir wieder bei dem Thema "Die Vorstellung der Menschen über Vergangenes" wären.
Man denkt wohl bei der "Steinzeit" eher an Wilde in Fellen (mich eingeschlossen), zumindest wenn man sich nicht näher damit beschäftigt, oder einem wie hier ein wenig die Augen geöffnet werden.

Ich danke jedenfalls für's erste. Die Geschichte des Webens ist wohl ein Thema, wo man jede Menge drüber schreiben kann. Ich werde mich auf jedenfall die Tage mal näher damit beschäftigen.

Gruß an deinen Bruder ;)

docgspot

Toll, einfach nur toll!

Solch ein Modell gehört eigendlich auch nach Unteruhldingen, das Federseemuseum und das Museum für alte Geschichte nach Konstanz ...

Gruß,
Doc

Thinman


Wolf

ich bin wieder einmal sehr beeindruckt. Was mir immer wieder neben den rein handwerklichen Leistungen auffällt ist die sehr lebendige Komposition.... ein richtige Momentaufnahme in Miniatur die einem bei der Vorstellungskraft über das damalige Leben hilft.
Wer Future hat, hat noch lange keine Zukunft

Rolle

Hallo Hans,
prima was dein Bruder da hingestellt hat, so kann man sich die Geschichte doch viel besser vorstellen und du bringst dann noch ein wenig erklärndes dazu und schon ist man im Bilde. Von mir aus kannst du öfters sowas bringen, so macht lernen Spaß!:P
Gruß aus Hamburg
Rolf Karotka
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Modellbau-Stammtisch-Hamburg.de

Spritti Mattlack

ZitatOriginal von Batman
wow :P

wenn man bedenkt das man 3500 vor Christi schon solche Hütten bauen konnte komme ich mir heute fast irgendwie rückständig vor... 5000 Jahre, und nur wenig Unterschied....



Wo (wie) wohnst Du  denn? :D

Spritti
A man who is tired of Spitfires is tired of life