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Turmhügelburg in 1/72

Begonnen von Hans, 29. September 2016, 20:35:23

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Hans

Gentlefolks,
hier mein neuestes Diorama, in 1/72. Turmhügelburgen haben mich schon immer fasziniert, man kennt sie landläufig auch als Motte und noch besser in der Landschaft als Burgstall. Motte und Burgstall sind eher die Ortsbezeichnung, die eigentlich Burg (Turm) nennt man Donjon oder eben Turmhügelburg. Wie sie aussehen, weiss man eigentlich nicht wirklich. Die wenigsten Burgställe sind archäologisch ausgewertet, in aller Regel muss man aber von Holzbauweise ausgehen, erst relativ spät ging man zum Steinbau über. Sie standen auch nicht alleine in der Gegend, die Wirtschaftsgebäude waren darum herum angeordnet. Wer sich näher dafür interessiert:

https://de.wikipedia.org/wiki/Motte_(Burg)
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_Turmh%C3%BCgelburgen

In Deutschland sind mit vier Nachbauten, quasi 1:1 Modelle als Rekonstruktionsvorschlag, bekannt: Lütjenburg, Bärnau, Kanzach, Neuenrade.  Die jeweiligen fiktiven Baujahre sind unterschiedlich, auch die Rekonstruktionsansätze.

Die gesamte Anlage in Lütjenburg ( http://www.turmhuegelburg.de/  ) habe ich schon mehrfach besucht und der Bauvorschlag ist überzeugend und handwerklich wirklich perfekt ausgeführt. Die Vorbilder des Turms sind nachvollziehbar und belegbar. Was mich persönlich etwas irrititiert, ist das Dach, ich hätte da schon eher für ein Pyramidendach plädiert, aber besonders die Dachziegel sind wirklich sehr unwahrscheinlich. Sie wären archäologisch als Oberflächenfunde auf den Motten einfachst nachzuweisen, was sie aber nicht sind. Insoweit ist eine hölzerne Eindeckung wahrscheinlicher - ich nehme an, in Lütjenburg hat man sie aus Unterhaltsgründen gewählt - so ein Ziegel hält halt doch länger als Bretter oder Schindeln. Hier Bilder des Turmes in 1:1 (Bilder von mir)

Fredericus Rex hat sich nun der gesamten Anlage in Lütjenburg in 1/72 angenommen und letztlich alle notwendigen Gebäude in Holz und Resin-Bausatzform entwickelt. Die gesamte Anlage ist wirklich reizvoll, aber dann doch verdammt gross, selbst in 72.

Der Turm besteht aus einem in Balsa gelasertem Innengerüst, die vier Aussenwände dagegen sind aus Resin, ebenso die Giebelfronten. Dazu noch einiges in Karton und in Papier. Das Dach ist richtigerweise in Schindeln ausgeführt. Der Bau ist recht einfach durchzuführen. Die Resinteile sind sauber gegossen und wirklich flach - sagen wir mal zu 99%. Die Eckkanten sauber zu schliessen ist schwierig, es liegen aber entsprechend zu knickende Laserteile dabei, die dies sauber verdecken. Inneneinrichtung ist keine vorhanden, aber ein Zwischenboden und Leiter wären schnell ergänzt. Was ich vergessen habe, ist die Bemalung der Innenseiten und des Innenbodens - ich hatte einfach zu schnell den Dachboden montiert und nicht begriffen, dass ich dann innen nicht mehr herankomme.

Hier das Bild des fertigen Bausatzes von Green Line /Fredericus Rex. Es zeigt den Inhalt, gebaut fast oob. Ich habe fast alle Papierteile durch Balsa ersetzt, nicht etwa weil die Papierteile schlecht wären, sie haben eine wunderbare Struktur, aber ich mag einfach so wenig unterschiedliches Material im Modell wie möglich.


Die Fahne ist ein reines Testobjekt, hier noch viel zu gross. Eine Lösung habe ich noch nicht gefunden, deshalb die folgenden Fotos fahnenlos. Die Burg siedele ich in die Mitte des 11. Jhd an und da gabs noch keine Wappen, sondern nur Banner, damit der Heerhaufen einen eindeutigen Sammlungspunkt hatte. Ob die damaligen Symbole bereits Personen zuordenbar waren, ist unklar.

Der Unterbau besteht aus einem Bilderrahmen. Die Landschaft entstand aus "sculptureblock", einem sehr feinporigen PU-Schaum, der erheblich feiner bearbeitbar ist, also die Polystyrolschäume der Isolierplatten. Aber er ist auch ordentlich teuer, dafür aber völlig lösemittelresistent, auch gegen alle Harze. Das Grünzeug ist von Polak, Heki, Reinshagen, Woodland. Als Leim fungiert ein wasserlöslicher Allzweckkleber, der mit Acryl einen braunen Ton erhielt und zudem einige Tropfen Tamiya-Mattierer. Das Wasser ist das beste Resin-Wasser, dass ich je verwendet habe: Deluxe Solid Water - keine Bläschen, keine schillernden Stellen, keinerlei Zicken irgendwelcher Art, keine klebrige Oberfläche. Nachteil: Sehr flüssig - es kriecht bereits gestreute Uferböschungen hoch wie nix und überschwemmt dann auch die Wiese oben. Also beim Einlassen des Wassers die Böschung noch nicht bestreuen.... Man bekommt es auch bei fredericus.

Der Zaun, die Treppe, die Brücke entstanden alle aus Green-Line-Teilen, man kann sowas aber auch aus Balsa zügig selbst erstellen.

Figuren passend zu finden war wie fast immer eine geduldsstrapazierende Sache. Es gibt zwas alles mögliche an wilden Kriegern, aber welche, die nicht so rumfuchteln, sind schwierig zu finden. Figuren der Salierzeit gibts eh keine, ich habe mich mit einer Wikingerfrau und "Angelsachsen" beholfen. Da passt einiges nicht, von den Hosen bis zu Ausstattung, aber irgendwo ist Schluss. Bemalt wurde alles mit Acryl von Andrea und Vallejo Air.

Jetzt endlich die Bilder:

Edit: Den damaligen Bilderhoster gibt's nicht mehr. Bitte auf die zweite Seite gucken!
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Bohemund

Zum geschichtlichen Hintergrund und somit "Originalität" kann ich so rein gar nicht beitragen.

Bleibt mir nur zu sagen das ich dieses Modell richtig schön finde. Wirklich toll gemacht.

MadPlast

Hi Hans,
das schaut ja wunderbar aus, toll verwittert und bildschön in Szene gesetzt. Ganz großes Kino  :respekt:  :klatsch: .

Viele Grüße Matthias

Martin.


Gefällt mir sehr gut, finde das Thema an sich ja interessant und dann noch so ein geniales Modell bzw. Diorama.

Gruß
Martin

Flugwuzzi

Tolle Szene  :klatsch:

Die Holzbemalung gefällt mir ausgesprochen gut, das sieht sehr realistisch aus! Die Begrünung der Böschung ist ebenfalls überzeugend gelungen.

Hut ab vor der prima Figurenbemalung in 1/72, sehr schöne Aufhellungen und Schattierungen.

Am Besten gefällt mir aber dass das Dio eine entspannte Alltagsszene darstell, kein wildes Kampfgetümmel am Wassergraben  :P

Danke für die historische Lektion und die tollen Fotos.

lg
Walter
DAS GEHEIMNIS DES ERFOLGES IST ANZUFANGEN. (Mark Twain)

104FAN

Klasse Diorama und eine nette kleine Geschichtsstunde  :P

Die Figur in der Tür erinnert mich etwas an Majeatix, ist vielleicht ein Nachfahre :D

Aber wirklich toll gemacht :winken:
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"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" (Aristoteles)
    Das Leben ist tragisch, aber meist am Rand der Komik

Wolfgang Meyer

Sehr schönes Diorama, dann auch noch historisch und in meinem Lieblingsmaßstab!  :P :klatsch: :klatsch:

LG Wolfgang

Universalniet

Was mich neben der tollen Anlage fasziniert ist Dein Geschick 1:72er Figuren zu bemalen ....    8o


:klatsch: :klatsch: :klatsch: :klatsch:

coporado

Tolles Dio Hans, gefällt mir ausgesprochen gut!
Da ich mit dem historischen Hintergrund nicht so vertraut bin, hätte ich bei den Figuren nicht gemerkt, dass sie nicht passend sind...bemalt sind sie auf jeden Fall 1A!  :P
Das Wasser ist spitze geworden, mit dem Solid Water habe ich auch schon gearbeitet. Wenn man das "große Krabbeln" kennt bzw. berücksichtigt wirklich ein top Produkt.
Womit hast du die Burg bemalt bzw. in welchen Schritten das Holz gealtert?

Gruß
Sascha  :winken:
Gruß
Sascha  :winken:

...und weißt du keinen Rat, nimm Draht!

Hans

Danke für das Lob!

Die Resinteile der Burg habe ich mit Tamiya Grauer Grundierung lackiert. Danach dann mit der Airbrush dunkle Stellen auflackiert, fast wie Schatten und einzelne Bretter. Dazu ahbe ich Revell und Vallejo Air benutzt. Danach eine Betonung der tiefsten Stellen mit einem grau-braunen dunklen Washing aus Grau und Umbra von Vallejo Air. Danach ein stufenweises Aufhellen dry-brush-artig, aber mit feuchter Farbe. Danach etwas Ocker und Umbra (Öl) und letztes Aufhellen mit Ölfarbe und Witterungsspuren. Geht durch die Wasserfarben (plus Föhn) recht zügig, geht wenn ma will an drei Abenden.

H.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Floppar

Ein super gebautes Diorama!  :P

Wolf

Für mich ein Highlight!

Ich finde es immer wieder faszninierend mit welchen Themen du dich beschäftigst und diese dann auch noch im Modell umsetzt.
Auch wenn man nichts mit dem Thema zu tun hat wird man durch den geschichtlichen Abriss direkt abgeholt.

Die Umsetzung in die Modellwelt ist dann einfach nur schön anzusehen und stimmig. Das Holz fasziniert mich wirklich. Insbesondere auch das vergraute "alte" Holz im Kontrast zum "frischeren" Holz der Umzäunung. Deine Art die kleinen Figuren zu bemalen ist für mich von je her Vorbild.
Danke fürs zeigen, ich finde es richtig toll!



Wer Future hat, hat noch lange keine Zukunft

Alex

wieder einmal ein ganz schönes Diorama, mit den geschichtlichen Hintergrundinfos. Sehr schön bemalt und gealtert.  :klatsch:

Alex
Hier ist mein Portfolio, und hier meine weiteren Berichte (<-- Upgedated am 20.9.2015)
Finisher des Phantom-, Viermot-, Matchbox- und Artillerie-Groupbuilds, sowie des Bierdeckels-, Panzer-, Oldtimer- und OOB-Contests!

f1-bauer

#13
Servus Hans,
vielen Dank für die schöne Abwechslung in der Galerie. Das Dio gefällt mir sehr gut und der geschichtliche Abriss ist sehr informativ. Jetzt weiß ich, warum mein Kollege Burgstaller heißt  :8:
Zum Handwerk ist alles geschrieben, da kann ich mich nur anschliessen -  :klatsch:

Ein Frage hätte ich: der Zaun ist sehr nahe am Turm, auch auf den Fotos der Anlage in Lütjenburg. Ein Angreifer z. B. mit einer Lanze und einem brennenden Strohbündel dran käme da locker an den Turm heran. Auch können sich m. E. hinter dem Zaun Verteidiger nicht ausreichend bewegen. War das im Sinne einer Wehr/Palisade gedacht?

Gruß
Jürgen  :winken:

Edit hat nachgelesen: bei kleineren Anlagen war der Zaun (Holz, aber teilweise auch nur Weidengeflecht) eher passiver Schutz vor Eindringlingen und Wildtieren  :8:.

Bradhower

Zitatvielen Dank für die schöne Abwechslung in der Galerie.

dem kann ich mich nur anschließen - mal was hübsch-anderes und super gebaut  :P  :klatsch:

Grüße Marcel

wefalck

Sehr interessantes Thema und schönes Modell. Auch ich fand diese 'motte and bailey'-Burgen immer interessant, auch wenn ich mehr eine Schwäche für die späteren Steinkonstruktionen, wie z.B. in York oder hier bei mir um die Ecke in Vincennes habe.

Mir kommt auch der Hügel im Vergleich zum Turm etwas niedrig und klein vor, was zu einem, wie schon oben angemerkt, etwas (zu) geringem Abstand zwischen Turm und Palisadenzaun führt. Das ist aber sicher dem beschränkten Platz angesichts des großen Maßstabes geschuldet ?
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

springbank

#16
Moin Hans,

Ganz großes Kino.. Nicht nur das man dabei direkt noch was lernt über die Geschichte des Objektes.
In so einer exakten und liebevoll ausgeführten Art und Weise sieht man das nicht alle Tage. Da kommt manches Museum nicht mit.

Ich schliesse mich was die Figuren angeht einfach mal Wolfgang an... Fantastisch- gerade in 1/72  :klatsch:
Danke fürs Zeigen

gruß
Daniel
"Schulz was machen sie'n da?
An Drachen lass ich steigen..
Ne tatsächlich, ich dachte schon Sie sägen ne Wolke durch.."



Primoz

Sehr interessantes Objekt und dann auch noch so überzeugend umgesetzt. Sehr schön! :klatsch: :winken:
Das Leben ist eine sexuell übertragbare unheilbare Krankheit mit tödlichem Ausgang

Hans

Nochmals danke!

Wefalck: Der kleine Hügel ist tatsächlich ein gewisser Kompromiss, um die Anlage nicht zu groß zu machen. So kleine Burgställe allerdings gibt's tatsächlich, die Frage wäre dann eher, ob der Turm etwas kleiner wäre. Der Abstand zum Zaun könnte größer sein, liegt aber eher an einem Baufehler - rein zeichnerisch/Rechnerisch hatte ich geplant, den Zaun an den Rand des Hügels, genau auf den Knick zwischen Hang und Ebene zu setzen. Es brauchte aber einen Schlitz, um die Bretter zu versenken....und dann rutschte das zu weit nach innen. Allerdings gibt's auch Rekos, grad in Frankreich, bei denen man auch grad zwischen Palisade und Wand durchlaufen kann.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

mopf1000

#19
Junge Junge ist das genial-Mann ist das wunderschön-lG Sven

nuggetier

Ein ganz großartiges, sehr schönes Modell/Diorama.  :klatsch: :klatsch: :klatsch:
Von solchen Sachen würde ich gerne mehr sehen.
Fertig gebaute Modelle seit ich hier angemeldet bin: Porsche 356 B/C 1:24, ---  Umbau/Streckung ägyptische Figur "Sobek";
Angefangene Bauberichte:  "Rio Magdalena" 1:160, "Ghostbusters Cadillac", diverse "Citroen B14" 1:24, "Mississippi Queen" 1:271 http://www.modellboard.net/index.php?topic=43112.msg643463#msg643463, "Mississippi-Schauferaddampfer" 1:250, "Burgmodell" 1:400, "Odawara-Castle" 1:350, "Burg Eltz" Scratchbau 1:160, Umbau - aus '34er Ford wird ein Mercedes C

Bongolo67

Außergewöhnliche Arbeit, Hans! :klatsch:
Ich finde so was wirklich Klasse, weil man dabei so eindrucksvoll dazulernt.
Die handwerkliche Ausführung ist über jeden Zweifel erhaben und die historischen Abweichungen bei den Figuren bemerken nur die Koniiferen der betreffenden Epoche. Du hast schon Recht: irgendwo muss auch mal gut sein! ;)

Ich hoffe wir sehen noch weitere Werke dieser Art von Dir.

Gruß

Ulf

Hans

..und nochmal Danke an alle!

Ich hab da schon noch einiges in petto, was solche 72er Gebäude betrifft.....aktuell murkse ich an einem Hafendiorama herum´...keine Ahnung, wann das fertig wird.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

wefalck

Hafen ist immer gut  :klatsch:  Wie wär's mit einem Baubericht ?
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Hans

Nee, kein Baubericht, ich bin froh, wenn ich Zeit zum Bauen finde.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger