Lateinsegel an Besan und Bonaventurmasten

Begonnen von Albrecht, 22. August 2007, 09:17:49

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Albrecht

Hallo,
mal wieder eine Frage an die Fachleute.
Gestern ist mir bei zwei Bildern des Marinemalers Todt aufgefallen das die Lateinsegel am Besan und Bonaventurmast komplett "vor den Wanten" sitzen.
Ich habe mal ausschnitte beider Bilder hier eingefügt um das ganze verständlicher zu machen.


Die Stenge an denen die Lateinsegel fest sind, ist bei beiden Bildern so angebracht das sie fast quer zur Schiffsachse stehen. Die vom Betrachter aus hinteren Wanten sind ganz zu sehen.
Müßten die Segel eigentlich nicht eher längs zur Schiffsachse stehen und somit "unterhalb" der Wanten
vorbeilaufen?
So wie hier auf dem dritten Bild?

Hat der Künstler sich einfach nur geirrt oder wurden Lateinersegel an den hinteren Masten auch so genutzt wie von Todt dargestellt?
Gruß Albrecht.
PS: Mal sehen obs mehr Antworten gibt als auf meine letzte Frage. 8o

galeotti

Hallo Albrecht, der Maler hat sich hier nicht geiirrt. Es war der große Vorteil der Lateinsegel, dass sie je nach bedarf in fast alle Richtungen gesetzt werden konnten. Bei dieser Stellung, wie auf den Bildern ,wurden die Wanten der einen Seite ausgehängt und die Rute davor gesetzt. Dann wurden die Wanten wieder neu gesetzt.
Auf dieser historischen Zeichnung kann man das Umlegen eines Lateinsegels auf die andere Mastseite , bei einer Fusta, recht gut sehen.
 :winken: Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

HWB

Funktioniert das denn bei einem Rahsegler mit seinen höheren Masten noch?
Durch die Dirk (hält das hintere Ende der Besanrute aufrecht) wird doch eigentlich ein Durchfädeln der Besanrute vor die Wanten verhindert. Zumal dieses Tau mitunter sogar zum Großmast geführt wird.
Ich habe einen Bildband über die Replik Duyfken. Dort sind viele wunderschöne Segelbilder drin. Sobald der Wind stärker von achtern kommt, liegt das Besansegel geborgen auf Deck.
Ich glaube eher, daß sich Galeeren und Rahsegler hier doch ziemlich stark unterscheiden.


Vielleicht wissen die praktische Segler aber mehr.


 :winken:
Holger

Im Bau: holländische Fregatte "Wapen van Edam" von 1644

In Planung:
HMS Royal Katherine 1664 Eendracht 1654

galeotti

Hallo Holger, es ist natürlich möglich, dass die Möglichkeiten eines Lateinsegels bei einem Rahsegler eingeschränkter als bei einer Galeere oder Schebecke waren. Aber ich kenne auch einige Gemälde auf denen das Besansegel vor den Wanten steht.Wie bei diesem von Vroom, der die "Royal Prince" beim Einlauf in den Hafen, unter Fock- und Besansegel gemalt hat. Das kleine Lateinersegel steht vor den Wanten.

 :winken: Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

panzerchen

Ich möchte mal ganz frech behaupten, das hängt ganz stark davon ab, ob mit raumem Wind oder am Wind gesegelt wird, also davon, ob das Lateinersegel aufgefiert oder dicht geholt ist.

Aber sicher weiß ich es nicht.

Albrecht

ZitatOriginal von galeotti
Hallo Holger, es ist natürlich möglich, dass die Möglichkeiten eines Lateinsegels bei einem Rahsegler eingeschränkter als bei einer Galeere oder Schebecke waren. Aber ich kenne auch einige Gemälde auf denen das Besansegel vor den Wanten steht.Wie bei diesem von Vroom, der die "Royal Prince" beim Einlauf in den Hafen, unter Fock- und Besansegel gemalt hat. Das kleine Lateinersegel steht vor den Wanten.

 :winken: Steffen

Hallo Steffen, tatsächlich ist bei der Royal Prince das Segel am Bonaventuremast genauso abgebildet.
Scheint fast als wäre das Lateinersegel bei Rahseglern auch in dieser Form genutzt worden zu sein.
Wo hast du übrigens das colorierte Bild der Royal Prince her?????
Ich kenne nur die schwarz/weiße Version. Es gibt glaube ich noch mehrere Schiffsansichten von Vroom
die das einlaufen der englischen Schiffe in einem holländischen Hafen zum abholen ihres Königs zeigen.
Würde mich interessieren in welchem Buch diese farbig dargestellt sind.

Vielleicht wurden Lateinersegel auch nur bis ins erste drittel des 17. Jahrhunderts vor den Wanten gesegelt.
HWB hat aber nicht ganz Unrecht wenn er sagt Das die Dirk ihre Funktion dadurch verliert.
Gibt's von van der Velde Bilder bei denen die Lateinersegel "vor den Wanten" stehen?
Gruß Albrecht

hwe

Hallo zusammen!

Ich glaube, daß Panzerchen mal wieder Recht hat.

Die Spieren von Lateinersegeln müssen natürlich, so wie jedes andere segeln auch, je nach Windeinfallswinkel unterschiedlich gefiert werden.

Auf Vorwind- oder starkem Raumwindkurs macht es eindeutig Sinn, die Spiere vor beiden Wanten zu fahren.

Auf Amwindkursen ist es sinnvoll, die Spiere (auch wieder in Abhängigkeit vom Windeinfallswinkel), je nachdem, an Backbord oder Steuerbord zwischen Mast und Wanten zu fahren.

Rahsegel tut man ja auch, je nach Windeinfallswinkel, entsprechend anbrassen. Ich sehe keinen Grund, warum man also Lateinersegel nicht im Rahmen der technischen Möglichkeiten fieren sollte.

Holgers Einwand ist aber durchaus ebenfalls gerechtfertigt.

Der Grund, wieso man das Lateinersegel auf Vorwindkurs lieber wegliess, ist auch leicht erklärt.

Es nimmt auf Vorwindkurs dem größeren und besser ziehenden Großsegel nämlich den Wind weg.
Gleichzeitig verstärkt sich der Druck auf das Achterschiff und verringert so die Steuerfähigkeit. Das Schiff läuft also leichter aus dem Ruder. - Genau das passiert aber auf Vorwindkursen sowieso gerne.

Das ist so, wie mit einem heckgetriebenen Auto auf Glatteis. - Ein frontgetriebenes Auto (Segelfläche weiter vorne) "zieht dich raus". Ein heckgetriebenes Auto schiebt und macht die Lenkung vorne nahezu unbrauchbar. Das Fahrzeug bricht leichter aus. - Ergo ist es auf Vorwindkurs besser, eine große Segelfläche möglichst weit vorne zu haben. - Deswegen sind Spinnaker (oder Genaker) auf Vor- und Raumwindkursen einfach genial!

Alles Klarheiten beseitigt?  :6:

Ciao,

HWE
 :mariinee:

galeotti

ZitatOriginal von Albrecht
Hallo Steffen, tatsächlich ist bei der Royal Prince das Segel am Bonaventuremast genauso abgebildet.
Scheint fast als wäre das Lateinersegel bei Rahseglern auch in dieser Form genutzt worden zu sein.
Wo hast du übrigens das colorierte Bild der Royal Prince her?????
Ich kenne nur die schwarz/weiße Version. Es gibt glaube ich noch mehrere Schiffsansichten von Vroom
die das einlaufen der englischen Schiffe in einem holländischen Hafen zum abholen ihres Königs zeigen.
Würde mich interessieren in welchem Buch diese farbig dargestellt sind.
Hallo Albrecht, das Gemälde von Vroom stammt aus "das große Buch der Schiffstypen"von Alfred Dudszus. Von Van de Velde habe ich jetzt nichts finden können, welches diese Segelstellung zeigt. Es kann schon sein dass das nur bis Anfang  und des 17. Jh. und nur am Bonaventura funktionierte. Ich habe noch eine Darstellung auf einer alten portug. Zeichnung mit Rahsegelkaravellen gefunden, die das Lateinsegel vor den Wanten zeigt. Werde ich mal bei Gelegenheit reinstellen.
 :winken: Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

galeotti


Hallo Albrecht ich weiß nicht ob Du dieses Bild eines holländischen Orlogschiffs von Barentsoen aus dem Jahr 1594 kennst. Das Besansegel steht auch hier vor den Wanten. Hier sind auch Bilder auf den Segeln zu sehen. Das gab es also doch bei den Holländern.
Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse