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Körperbemalungen

Begonnen von Shogun, 07. Juli 2003, 00:04:50

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Shogun

Hallo Figurenmaler

Wer kann mir sagen, ob die Gallier Körperbemalungen oder Tatoos hatten, wenn ja, welche Farben und Muster.

Gruß Shogun

Hans

Möchtest Du eine Antwort, wie die Re-enactment-Szene und die Figurenmaler es sehen oder möchtest Du eine aus archäologischer Sicht?


Zur archäologischen Sicht:
Es gibt nicht den geringsten Hinweis auf Tattoos. Tatuiernadeln gibt es im Fundgut der Bronzezeit und ganz spät am Ende der Keltenzeit ( um Christi Geburt), aber auch da nur ganz wenige Einzelstücke.

Auch bei den wenigen zeitgenössischen Textstellen (meist griechische Historiker) fehlt jeglicher Hinweis, auch anläßlich der keltischen Eroberungszüge der Mittel-La-Tene-Zeit ( Rom, Delphi, Kleinasien etc.) fehlt jede Erwähnung. Auch bei Darstellungen der Kelten von sich selbst, so wenige es auch sind, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Teilweise gehen die damaligen Schriftsteller recht detailliert auf das Aussehen ein ( 'Schnurrbärte' 'Gekalktes Haar' 'Gewürfelte Kleidung'), wenn die Jungs Taatoos gehabt hätten, die Schriftsteller hätten es erwähnt. Und an den Siegessäulen der Römer und Siegesmonumenten der Griechen gäbe es Hinweise.

Gajus Julius Cäsar erwähnt allerdings, das die BRITISCHEN Kelten sich den Körper mit 'Waid' blau färbten. Ob Cäsar dies selbst gesehen hat, bleibt zweifelhaft, es scheint sich um Hörensagen zu handeln. Etwas wahrscheinlicher jedoch sind Tattoos bei den Picten ( heutiges Schottland), dies ist belegt, allerdings deutlich später, teilweise erst im Mittelalter.

Im übrigen sei darauf verwiesen, daß eine Körperfärbung mit 'Waid' gar nicht geht. Waid ist eine Färbepflanze, deren Auszug eine klare Flüssgkeit ergibt. Wasserklar! ( Der Färbstoff ist identisch mit Indigo = jede Jeans wird damit gefärbt!). Erst durch den Kontakt mit Luftsauerstoff kommt es bei Wolle zu einer Oxidation des Färbeauszugs, der dann den Stoff färbt.

Eine 'Farbe' jedoch, also Pigment, läßt sich damit nicht herstellen.

Zu vermuten ist daß man Cäsar über blaue Bemalungen berichtet hat, ggf. auf Holzkohlebasis plus Fett, ihm aber als einziger blauer 'Farbstoff' Waid bekannt war, er aber die färbetechnischen Tricks nicht kannte.

ABER: Ich wiederhole, dies bezieht sich auf 50 v. Chr und ausschließlich auf England! Bei Galliern / Kelten ist absolut nichts nachweisbar.


Re-enactor / Figurenmalersicht:
Nachdem Tattoos furchtbar 'in' sind, noch dazu mit Tribal- oder Ethnic-Muster, kann die Re-enactment-Szene gar nicht anders. Sie beziehen sich ausschließlich,  wenn überhaupt, auf die Cäsar-Textstelle. Für die Muster halten sie sich einfach an klassische keltische Formen, La-Tene-zeitlich. Das dies natürlich den Figurenmaler reizt, ist auch klar. Aber, es ist und bleibt reine Fantasy und Wunschdenken.

Also, es ist Deiner Entscheidung vorbehalten, was Du machen willst: Dem zu folgen, was nachweisbar ist oder der Fantasy-Szene.

Grüße,
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Shogun

Hallo Hans

Danke für Deine sehr ausführliche Erklärung, was meine Frage betrifft.

Gruß Shogun

WolfBenrath

Hallo Hans, hallo Shogun !

Hans, wenn ich Deinen Bericht richtig interpretiere, könnte (!) ich die "Italeri"- Gallier (54mm) als Pikten umtaufen.... und dann Körperbemalung auftragen ?


Pikten: Laut Duden ein Vor- bzw. Keltisches Volk !

MfG
 WolfBenrath
 

Hans

Wolf,
die Pikten sind NICHT keltisch. Die sind älter als die Kelten in England. Die Grabausstattungen sind völlig anders, der Götterhimmel ist anders, die Sprache auch. Der Duden ist halt leider kein archäologisches Lexikon....

Kelten werden nicht als 'Volk' oder gar 'Nation' definiert, sondern als Glaubens-, Kult,- und Kunstgemeinschaft. Sich selber haben sie sich nur immer ihre Stammesnamen gegeben. Und keltische Hinweise gibt's in England erst relativ spät.

Die 'Gallier' von Italeri sind ein buntes Gemisch über alle Zeitstellungen. Da sind Helme von 1200 v.Chr. bis ca 20 n.Chr dabei, Körperpanzer der bronzezeitlichen Urnenfelderzeit bunt gemischt mit Kettenhemden der späten La-Tene-Zeit, usw usw. Mit diesen 'Galliern' kannst Du eigentlich alles machen, was Du willst, sie passen eigentlich zu gar nix. Sie sind aber hübsch modelliert, machen ordentlich Action und eignen sich zudem gut für Bemalungsübungen. Aber als Muster für originale Ausstattungen taugen sie nicht.

Grüße
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

WolfBenrath

Hallo Hans !

Das hat jetzt weh getan.... sind die Gallier von Italeri wirklich so schlecht...

Ich bin gerade dabei, vier Italerie Gallier für einen guten, guten Freund zu bemalen. (Auf Tatoos habe ich verzichtet, da ich mir durch Deinen Bericht dieses gespart habe !)

MfG
 WolfBenrath
 

Diese vier Figuren dienen mir als Erinnerung an meinen Freund, der leider vor kurzer Zeit verstorben !!!
   

Hans

Wolf, ich würde sie nicht als schlecht bezeichnen. Sie sind keineswegs 'schlechter' als das was sonst üblicherweise als 'Gallier' oder 'Kelten' angeboten wird. Auch Top-Firmen wie Pegaso oder Andrea und wie sie alle heissen, sind da nicht besser. Das Grundproblem ist immer das Gleiche: Die Ausstattungsgegenstände sind aus Zeiträumen zusammengestellt, die 1000 Jahre und mehr umfassen. An einer einzigen Figur! Und da reden wir jetzt nicht von Details wie 'Mittel-La-Tene-Kelten haben immer Schwertketten, nie Ledergürtel...'.

Es liegt aber NICHT an den Firmen, sondern an der Publikationslage. Es gibt schlicht zuwenig Literatur. Die beiden Osprey-Bücher beschäftigen sich ausschließlich mit den jüngsten Kelten, ab 100 v.Chr. Im grossen und ganzen korrekt, einige wenige Details sind schräg.

Das prägenste Reihe, nach dem alle Hersteller ( Pegaso, Andrea, Time Machine..) ihre neuen Figuren gestaltet haben, waren die beiden Concord-Bücher von Angus McBride und die sind beide schlicht unbrauchbar. Da wurden Zeitstellungen durcheinander geworfen, Männer mit Frauenausstattungen versehen und wilde barbarische Spekulationen betrieben.

Die Archäologen veröffentlichen einfach nichts in der Richtung! Naja, die meisten jedenfalls...mal sehen, ob da nicht doch was geht...

Anbei, bloß mal so als Anreiz zwei Zeichnungen von uns ( Rekonstruktionsteam im Nat.hist.Museum in Nürnberg.

Erstmal ein Kelte der Hallstattszeit ( Ha D) , so um 650 v.Chr. Beachte volle Bronzeausstattung trotz Eisenzeit. KEIN Schwert, sondern Axt. Osthallstattkreis, also östliches Österreich, Slowenien, östliches Norditalien




und jetzt noch ein Kelte aus Frankfurt, vom Glauberg. Datierung um 450 v.Chr. Leinenpanzer, Bronzehelm, kurzes Schwert. Man beachte bei beiden die Schnabelschuhe....



KEINE gewaltigen Schnurrbärte, vor allen Dingen keine Zöpfe, einfach nichts, was gemeinhin den Kelten zum Barbaren macht!

Grüße,
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

WolfBenrath

Hans,
nun gut ! - Wenn ich Dir jetzt noch sage, dass ich in einen Zeitungsartikel eine Buchbesprechung gelesen habe, in der von "Flügel-Helmen" berichtet wird...
- Bei der Buchbesprechung handelte es sich nicht um ein Asterix-Comic...  :D

Ich bedanke mich für die Mühe die Du Dir machst...  :1:  - es macht Spass mit Dir zu "arbeiten" !!! - Schleim !!!

MfG
 WolfBenrath



Hans

Keine Mühe, Wolf. Nur der Zwischenschritt mit Bilder hochladen erst zu Arcor und dann verlinken, daß nervt manchmal.

Grüße
Hans
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

WolfBenrath

Hallo Hans !

Du kannst wenigstens noch Fotos hier ins Forum stellen...

Habe mich noch ein wenig mit den "Kelten" beschäftigt:
Laut meinen Informationen werden alle "Stämme" als
Kelten bezeichnet, die der gleichen Sprachfamilie an-
gehören. (Ist aus einen Artikell über die Kelten !)

MfG
 WolfBenrath