Palmenbau 1:72

Begonnen von Murdock, 11. Dezember 2004, 14:54:41

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Murdock

Als ich kürzlich ich für ein Tropendiorama einige Modellpalmen 1:72 benötigte und die Seiten der einschlägigen Onlinehändler absuchte, war ich ziemlich enttäuscht, welchen Schrott die diversen Hersteller alles als Palme verkaufen. Den Vogel schießt imho eindeutig Verlinden ab, die für zwei ,,Pflanzen" über 15 Euro verlangen. Ich habe dann einfach die besten Techniken aus diversen Modellbauforen übernommen bzw. modifiziert und meine Bäume in Heimarbeit zusammengeklebt.

Der langen Rede kurzer Sinn: Kokospalmenbasteln ist angesagt.

Kurz noch etwas zu den Maßen und dem Erscheinungsbild  (1:72 Maße in Klammern). Eine ausgewachsene Kokospalme wird 20m bis 30m ( 27cm -  42cm) hoch. Der Stammdurchmesser beträgt ca. 1m (1,4 cm)und die Blätter sind bis zu 6m (8 cm) lang.
Die Rinde ist hellbraun/grau und der Kopf ist braun. Die Blattkrone hat nicht das Aussehen eines Regenschirmes sondern ist kugelförmig und besitzt mehr als eine Handvoll Palmwedel. Die besten käuflichen Modellpalmen habe ich übrigens hier  gefunden.  Nachfolgend erst einmal Original und Fälschung:





Um eine brauchbare Palme zu bauen benutze ich folgende Materialien:

3mm Schweißdraht
0,8mm Blumendraht (verzinnt)
Paketband
Vogelsand
Gelbe Folie (Plastiktüte)

Zur Montage braucht man außerdem:
Lötzinn
Zähflüssigen Sekundenkleber
Holzleim
Klebstoff für Folien (Text beachten)




Dann kann es losgehen. Zuerst säge ich ein Stück vom Schweißdraht ab –ca. 20 cm- und bohre ein 2,5mm Loch in das obere Ende. Als nächstes schneide ich vom Blumendraht unterschiedlich lange Stücke ab (5-8 cm), stecke das Bündel (20-30 Drähte) in die Bohrung und löte es fest. Wer keine Möglichkeit zum Bohren hat: Die Drähte rings um das Schweißdrahtende legen, mit Draht feströdeln und dann anlöten.




Das Paketband wickel ich um den Stamm und verklebe es mit Sekundenkleber. Am unteren Stammende bleiben 10mm frei. Später kann man einfach ein 3mm Loch in die Bodenplatte bohren und den Baum dort einsetzten. Anschließend mische ich Vogelsand unter den Holzleim, so dass eine streichfähige Paste entsteht. Damit wird der Stamm vollständig eingepinselt und zum anschließen Trocknen abgelegt.




In der Zwischenzeit  mache ich die Blätter. Entsprechend der erforderlichen Blattgröße schneide ich einige gleichgroße rechteckige Flicken aus der Folie und lege sie aufeinander (max. 5 Stück). Die Folienstücke werden einmal in Längsrichtung umgeschlagen und die äußere Längskante wird wie ein aerodynamisches Profil konturiert. Dieses Folienkonglomerat wird entlang dieser Profillinie zum Knick hin eingeschnitten. Je näher die Schnitte nebeneinander liegen, umso mehr sieht es später nach einem Palmenblatt aus. Als letztes wird das Paket auseinandergeklappt und fertig sind die Palmwedel.




Jetzt kommt der fummeligste Teil, die Blätter müssen mit den Drähten verklebt werden. Keine große Sache, wenn ich nicht ein Material genommen hätte, das sich nicht verkleben lässt: Polyethylen-Folie. Leider gibt es bezüglich Farbe und Dicke kein Foliematerial das  besser geeignet ist – jedenfalls habe ich keine gefunden - , also habe ich nach einigem Herumprobieren den Klebstoff  L 530 der Firma Ruderer benutzt. So richtig fest ist die Verbindung nicht, aber zumindest haften die Blätter an den Drähten. Zum Hinstellen und Anschauen reicht´s jedenfalls.
Bei der Anordnung der Blätter muss wenig beachtet werden. Vier bis Sechs Palmwedel bilden jeweils eine kreisförmige Ebene und werden so gebogen, dass zum Schluß ein annähernd kugelförmiges Gebilde entsteht.




Wenn alle Blätter ausgerichtet sind modelliere ich am Übergang vom Stamm zu den Zweigen eine Verdickung. Dazu kann man Modelliermasse, Modellbauspachtel oder das Sand/Leim-Gemisch benutzen. Davon habe ich leider kein Baufoto, deshalb hier das Bild von einem fertig lackierten Baum.




Die Blumendrähte bekommen einen Pinselanstrich aus Braun und/oder Dunkelgrün. Anschließend werden die Baumkronen mit verschiedenen Grüntönen lackiert. Man kann es mit einem Pinsel machen, richtig gut sieht es aber nur aus, wenn gebrushed wird. Nicht versuchen zu exakt zu arbeiten: Farbe rein und draufhalten. Möglichst mehrere Grüntöne sprühen, aber keinen Farbton deckend auftragen. An den Spitzen sollte das Gelb der Folie noch durchschimmern. Als letzte Schicht sprühe ich eine Mischung aus 50% Mattgrün + 50%Seidenmattgrün. Dadurch bekommen die Blätter einen schönen, wachsartigen Glanz. Das geht natürlich auch mit einem seidenmatten Klarlack.




Bei den Stämmen  habe ich zwei Techniken benutzt.
Nr.1: In Tockenmaltechnik werden die erhabenen Stammteile mit Weiß und  Dunkelgrau hervorgehoben. Die sandfarbene Untergrund schimmert durch.
Nr. 2: Der Stamm wird mit stark verdünntem Grau angestrichen. Darüber kommt ein Washing in Schwarz. Zum Schluß mit Weiß trockenmalen.
Welche der beiden Varianten an bevorzugt ist Geschmackssache. Die fertigen Palmen sehen dann so aus:




Für kleine Palmen habe ich mir eine etwas andere Technik für die Stämme ausgedacht. Ich mache das Drahtbündel für die Blattstiele einfach ein paar cm länger und umwickel das Stammende mit dem gleichen Draht. Anschließend wird der Stammbereich zusammengelötet.  Die Palmwedel werden dann wie bei den großen Bäumen gebaut. Ich denke, die folgenden Fotos sind selbsterklärend (meine Schreibfaulheit meldet sich gerade).



 :winken: Murdock

Max

Das sieht toll aus :1::P !
Schade, dass ich für Palmen so gar keine Verwendung habe :2:.

spike

ich könnte noch eine brauchen für mein Pazifik-Diorama...aber das dauert noch ein bisserl...

Aber ich werde dann diesen Bericht wieder zur Hand nehmen.

Greets

Talisker

Hi Murdock,

Deine Palmen sehen toll aus, da wird ja jeder Gärtner neidisch! :P
Eigentlich eine ideale Alternative zu Hydrokulturen und anderen Zimmerpflanzen - sehr preiswert und unglaublich pflegeleicht (kein Dünger, kein Wasser...), muß man höchstens gelegentlich abstauben!  :6:
Jetzt muß ich mir nur noch überlegen wie ich Deine Technik auf 1/700 runterskaliere... ;)

:winken:
Talisker

funke4ever

Wow, die gefallen mir super. Bei mir stand die ganze Familie vorm Bildschirm, und hat deine Tropenkunst bewundert. Mir gefallen sie auch super, da gibts nichts zu nörgeln, vom Stamm bis zur Krone einfach geil. Ich werd eh bald welche brauchen, da leg ich mir deinen Bericht zu Herzen. :respekt: :klatsch:

Spritti Mattlack

Hi Murdock

Schick mir bitte ein paar Palmen, bitte bitte. ;(

Dann hätte ich endlich einmal eine Pflanze für meine Frau, die nicht nach ein paar Tagen schlapp macht (Außer den Holztulpen natürlich ;) ). Und ich könnte sie mit der Pinzette überreichen. :D



Nee....im Ernst. Sieht mal wieder wirklich gut aus. Da bin ich ja mal auf das Dio gespannt.

Spritti :winken:
A man who is tired of Spitfires is tired of life

heavytank

Ich bin total begeistert. Die Palmen sehen einfach nur hammergeil aus.
:klatsch: :klatsch: :klatsch:

Mal zu den Palmwedeln. Hast Du mal versucht die Dinger aus Alufolie zu schneiden? Das läßt sich vielleicht besser kleben? Nur mal so frag, von wegen dem gelegentlichen nachmachen.:D

Murdock

@heavytank
Da ich immer noch auf dem Alufolientrip bin, habe ich das sogar als erstes versucht. Es funktioniert, läßt sich besser kleben als PE-Folie, hat aber andere Nachteile. Aluminiumfolie bildet schnell unrealistisch wirkende Knicke wenn man nicht aufpaßt und die Alublätter müssen deckend lackiert werden. Durch die PE-Folienblätter schimmert das Licht, und das läßt die Bäume sehr lebendig aussehen. Am optimalsten wäre eine dünne, gelbe Folie aus einem verklebefähigen Kunststoff. Ich habe auch schon versucht die Folien an die Stiele zu schweißen (ist die einzige Möglichkeit bei PE) indem ich den Draht mit einem alten Märklintrafo aufgeheizt habe, aber das funktioniert noch nicht auf der gesamten Länge.  

:winken: Murdock

baby bruno

Sind supi geworden :respekt:
Ein Tunesien - Tiger unter Palmen ? Wäre eine verlockende Idee.
Auf alle Fälle eine gute Anleitung für den *Pflanzenbau*.

Pacific Strafer

Murdock,

ich verneige mich vor Dir :1: .
Klasse Technik und kommt absolut realistisch rüber. Da ich auch noch ein
Pazifik-Dio plane kommt mir Dein Bericht nicht ungelegen, denn die Preiser-Palmen reißen mich auch nicht vom Hocker und der ausgewanderte Belgier spinnt eh.
Danke für die prima Tip's.

Peter   :winken:
"This is your hobby, and don't let anyone else tell you otherwise, as the only person you have to please is yourself!"

www.mbf-siegen.de

spike

ZitatOriginal von Spritti Mattlack

Dann hätte ich endlich einmal eine Pflanze für meine Frau, die nicht nach ein paar Tagen schlapp macht

Spritti

Was machst DU DENN mit deiner Frau? :6:

Hans

Ich hab' erst einmal Palmen gebaut, und die auch in 1/15. Als Blattmaterial habe ich schlicht leichten Karton genommen, für kleinere Massstäbe würde ich Papier nehmen. Einziger Nachteil: Es ist nicht wasserfest beim Abstauben nach Jahren.

H.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

DER Christian


Die Palmen sind einfach nur: :P :klatsch: :P :klatsch:


tigrazor2012

Sorry fürs Ausbuddeln, aber ich bin im Rahmen meiner Palmenbau-Recherche fürs Nordafrika-Dio drauf gestossen - ich glaube, so werd ich das auch machen, sieht jedenfalls richtig gut aus!


Gruß


Lucas.

Hans

Du bist hiermit der User des Monats. Mal endlich einer, der sucht, bevor er fragt.... :pffft: :D :D 8) :D :D.

Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

tigrazor2012

Wäre doch nicht nötig gewesen, Hans. Und ja, ich bin lernfähig (so viel Selbstkritik muss sein)   :D

wefalck

Die Palmen unten sind ungefähr 1995 entstanden. Der Stamm besteht ebenfalls aus Draht, der mit Kordel umwickelt wurde, die dann in Weißleim getränkt wurde. Die Blätter sind Ätzteile der Firma ScaleLink (http://www.scalelink.co.uk/acatalog/Foliage___Scale_1_60_to_1_100___Feuillage_HO.html), die inzwischen übrigens auch ganze Palmen-Bausätze anbietet: http://www.scalelink.co.uk/acatalog/Palm_Tree_Kits_in_various_scales___Palmiers.html.
Die geätzen Blätter haben den Vorteil, daß die einzelnen Blattelemente originalgetreu spitz zulaufen, was bei der Papiermethode nicht so ganz einfach zu erzielen ist. Außerdem lassen sich die Blechteile schön zurechtbiegen.
Die Kokosnüsse sind grün-gefärbte Senfkörner.





Diese Baumethode habe ich, wenn ich mich richtig entsinne, seinerzeit auch in der Zeitschrift ModellWerft im Zusammenhang mit der Baubeschreibung des Auslegerbootes von Niutao beschrieben: http://www.maritima-et-mechanika.org/maritime/models/ellice/ellicecanoe.html

wefalck
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

tigrazor2012

Genial - vor allem die Senfkörner. :) Bei mir wirds ja 1/35 und es wird auch keine "Strandpalme" mit schlankem Stamm - aber sonst richtig gut. Ist sicher auch masstabsabhängig, ob man dem Weissleim noch Vogelsand beimischt oder nicht. Davon hätte ich noch 2419,64 Gramm da  :D


Bohemund

@Wefalck: Tolles Diorama. Allein die Thematik hätte einen Preis verdient, die Umsetzung erst recht!

Auch die leeseitige Neigung der Palmen wird gern vergessen, hier wird sie sehr real dargestellt.  :P